Dienstag, 31. August 2010

Getting artsy in Santiago de Chile

Santiago, Santiago... was kann man zu dieser Stadt sagen?

Die vielleicht einfachste Definition ist, dass diese Stadt keinen eindeutigen Charakter hat. Dies heisst aber nicht, dass Santiago eine hässliche Stadt ist. Von der Lebensqualität her sicher tausendmal besser als La Paz... Lieber ein Leben lang in Santiago, aber sicher lieber eine Woche in La Paz.

Dazu muss man sagen, dass Städte in Südamerika oft ein zweifelhaftes Vergnügen sind... Santiago ist da vielleicht sogar eine Ausnahme, da diese Stadt eigentlich gar nicht südamerikanisch sein will.

Die Geschichte war diese: In Viña del Mar hatte ich bei einer Geburtstagsparty Pablo kennengelernt, der seit einem Jahr wieder in Santiago lebt und mich zu sich nach Hause einlud. Leider war Pablo nicht allzu oft zu Hause, und ich verbrachte die meiste Zeit mit Tom, Pablos Katze.

An der ersten Nacht gingen wir jedoch zusammen in den Ausgang. Zuerst in ein grässliches Loch von einer Bar mit dem passenden Namen "La Piojera" - eine coole Erfahrung - und danach als Kontrastprogramm ins Quartier Bellavista. Ziemlich posh...

Nach ausgiebigem Auskatern startete Sightseeing Nummer 1.

Der Präsidentenpalast, el Palacio de la Moneda, wo Salvador Allende am 11. September 1973 bei Pinochets Putsch starb. Es ist nicht klar, ob es ein Suizid war, oder ob er umgebracht wurde.
Die Statue von Allende auf der Plaza de la Constitución
Die Börse Chiles
Die Plaza de Armas mit ihrem komischen Gebäudemix und der Catedral Metropolitana
Chile gilt als sehr katholisches Land, sogar für südamerikanische Verhältnisse... und falls man das noch nicht gemerkt hat, sollte man einmal in eine chilenische Kirche hinein spazieren. Das ist an Devotion kaum zu überbieten, inklusive Schlangenstehen vor dem Beichtstuhl... wobei der Priester wie eine Jesusfigur beleuchtet wird und der Beichtende wie ein Bettler und mit gesenktem Haupt von seinen Sünden sprechen muss... für mich teilweise schwierig auszuhalten.
Das Weihwasser kommt aus einer Art Seifenspender.
Wie um die Scheinheiligkeit der lateinamerikanischen Kultur zu zeigen gibt es in Santiago Kaffees, wo "café con piernas" serviert wird. Die Kellnerinnen tragen dort ultraenge "Kleidung" und superkurze Jupes... das ganze wird verfeinert mit Highheels und Kaffee. Die Kundschaft ist männlich. Eine Art Hooters à la Chile.
Santiago ist eine moderne Stadt, ausgenommen von der komischen Mischung im Zentrum. Ich wohnte im Barrio Las Condes. Wolkenkratzer, vierspurige Strasse, Supermärkte, Starbucks, Burgerking... Willkommen in Südamerika!
Die Metro von Santiago! Genial!
Am Tag Nummer 2 gings in den Mercado Central... der Uringeruch verriet es schon von Aussen:
Fisch (und Meeresfrüchte)!
Gleich daneben der ehemalige Bahnhof Santiagos: Estación Mapocho.
Züge gibt es gibt es hier nicht mehr... was bleibt ist ein ziemlich cooles Gebäude und ein Kulturzentrum.
Besonders cool fand ich einen chilenischen Künstler: Leonardo Cravero
Ausserdem stellten Architekturstudenten ihre Modelle aus...
... Fotoparadies...
... und Erinnerungen an die Märklin Modelleisenbahn.
Dies wäre die Bar der ersten Nacht. Ein absolutes Muss für jeden Touristen!
Und es gab noch mehr Kultur - im Museo de Arte Contemporáneo (MAC)
Von Aussen ist das Gebäude, vielleicht auch durch das Erdbeben, in einem ziemlich schlechten Zustand... von Innen das genaue Gegenteil.
Kupfer treibt die chilenische Wirtschaft an. Hier das einzige Foto des Blogs, wo ich ansatzweise zu sehen bin.

Kupfergranate
Ziemlich coole Statue mit ebenso kreativem Namen: "...y fue escultura" von Sebastián Manuel Rojas
Ausserdem gab es eine Ausstellung von chinesischer Kunst. Yin Zhaoyang "Spectacle"
Li Qin, "Finding Differences-Sandtable (There are 10 differences in the two paintings)". Ich habe nur 5 Unterschiede gefunden.
Han Lei, "Pan Jilian performing as rabbit girl"
Aussicht vom Cerro Santa Lucia aus auf die Stadt
Es war ein ziemliches Gedränge.


Der Park ist voller Liebespaare, die ziemlich schamlos rumknutschen... inklusive dry humping vom Feinsten. Hier mein Versuch als Paparazzo...
Barrio Bellas Artes
Dichter Pablo Neruda baute in Santiago ein Haus für seine Maitresse und spätere Frau Matilde Urrutia: La Chascona.
Nicht ganz so interessant wie sein Haus in Isla Negra (letzter Eintrag)... aber genauso voller Ramsch und bizarrer Sammlungen. Leider hat das Haus ziemlich unter den verschiedenen Diktaturen gelitten. Unter Gabriel González Videla wurde zum Beispiel die ganze Bibliothek verbrannt.
Falls jemand mal krank sein sollte: Besser hier shoppen gehen!
Der Parque por la Paz erinnert an die Opfer der Diktatur Pinochets
Die Villa Grimaldi war nämlich zwischen 1973 und 1978 das Folterzentrum der Diktatur. Ungefähr 4500 Gefangene wurden hier misshandelt und 229 starben an diesem Ort.

Es ist ziemlich bezeichnend für die Einstellung der Chilenen zu Pinochet, dass niemand mir den Weg dorthin erklären konnte. Nicht einmal die Taxifahrer wussten, wo der Park ist.
Die Namen und das Todesdatum
Das Colegio Confederación Suiza
Leider habe ich von Pablo kein Foto gemacht. Dies ist jedoch mein anderer Gastgeber: Tom. Nicht gerade die intelligenteste Katze der Welt, aber trotzdem sehr sympathisch!
Nach einer Led Zepplin Jamsession mit Pablo am Abend meiner Abreise, ging es weiter runter nach Süden. Der nächste Eintrag folgt sogleich.

Donnerstag, 26. August 2010

City hopping: La Serena, Valpo und Viña

Von der Wüste Atacamas ging es in einer 16-stündigen Busreise (neuer persönlicher Rekord!) über Antofagasta nach La Serena.

Über diese Stadt gibt es eigentlich nicht viel zu berichten, auch wenn die Beschreibung im Lonely Planet durchaus reizvoll klingt. Stichworte: "Golden shoreline, beautiful architecture, treeshaded avenues, pretty plazas, thinking man's beach resort..."

Die Architektur der Stadt ist vor allem neokolonial. Dies hat damit zu tun, dass Präsident Gabriel González Videla, der "Dr. Jekyll/Mr. Hyde" der chilenischen Politik, seine Heimatstadt in den späten 40er Jahren verschönern wollte und lauter neue Gebäude hinstellte.

La Serena macht darum einen etwas künstlichen Eindruck und hat etwa den Charme einer deutschen Nachkriegsstadt... also so ungefähr gar keinen.

Dr. Jekyll/Mr. Hide darum, weil González Videla mit Unterstützung der kommunistischen Partei in 1946 zum Präsidenten gewählt wurde und dann diese Partei prompt als illegal erklärte. Literaturnobelpreisträger Pablo Neruda, der für die Kommunisten im Parlament sass, musste darauf per Pferd und zu Fuss über die südlichen Anden nach Argentinien flüchten.

Aus Mangel an Fotos von La Serena (gibt noch ein weiteres am Ende des letzten Eintrags... ebenso nichtssagend), hier ein Bild von mir in meinem Hotelzimmer. Das Hostal war übrigens ein voller Erfolg: Casa Maria.

Das einzig Negative war, dass ich meine Kleider nicht waschen durfte.
In La Serena hätte es die Möglichkeit gegeben, eine Tour oder einen Abstecher ins Valle de Elqui zu machen, um die Piscoproduktion anzuschauen, oder auch ins Reserva Nacional Pingüino de Humboldt zu gehen.

Aber da ich mich in Peru schon einmal eines schönen Morgens mit Pisco besaufen durfte, und es ironischerweise am fast gleichen Ort gleich auch noch Pinguine hatte (dazu kommt auch noch, dass das Reserva Pingüino hier keinen allzu guten Ruf betreffend Umweltschutz hat), entschied ich mich, nichts zu machen... was ja manchmal auch nicht schlecht ist.

So ging es nach einigen fotolosen Tagen weiter nach Viña del Mar. In San Pedro de Atacama hatte ich Charlotte und Roberto kennengelernt, welche mich zu sich nach Hause nach einluden.

Am Samstagnachmittag gab es gleich einen "Asado" mitten in den schönen chilenischen Natur... Naja... jedenfalls fahren am Samstag die Leute mit geschätzten 10 Kilo Fleisch pro Kopf (dafür wird an Salaten, Brot, usw. gespart... eine Beilage gibt es jedoch zu Genüge: Bier) in den Parque Botanico, parkieren ihr Auto an der hässlichsten Stelle des Parks neben der Autobahn, lassen den Motor laufen und hören in voller Lautstärke eine schreckliche "New Rave/Hiphop/Techno"-Mischung... was hier völlig eingeschlagen hat.

Dies hier wäre meine Gruppe, rechts daneben das Soundsystem... Alejandro, Alejandro!
Nach zwei Tagen Parties und Auskatern, ging es nach Valparaíso.

Diese strategisch wichtigen Stellen sind bei Strassenhunden hier sehr beliebt... und der Hund ist deutlich erfolgreich mit seiner Strategie.
Irgendjemand hat mir hier gesagt, Valparaíso sei nichts Spezielles. Nur so eine Art dreckiges Lissabon... und irgendwie hatte diese Person damit nicht unrecht. Aber es ist vor allem diese dreckige Seite, welche diese Stadt so speziell macht.

Valparaíso ist eine Hafenstadt und war bis zur Eröffnung des Panamakanals in 1914 einer der wichtigsten Häfen der Pazifikküste. Neben dem Seemannschaos (man denke an Bars und Bordelle) ist aber auch die Geographie der Stadt unglaublich unübersichtlich. Angeblich hat es 42 Hügel, welche mit Häusern, kurvigen Gassen und Treppen vollgebaut sind.

Die Stadt muss sich jedenfalls vor Mykonos, oder dem Irrgarten in "the Shining", nicht verstecken. Dies kreiert viele versteckte Ecken, welche mit Grafitis vollgesprayt sind. Und dass die Stadt links ist, zeigen die Bilder von Salvador Allende an den Mauern
Ausserdem sind die Wellblechwände der Häuser selbst schon genug farbig
Es ist eine Stadt, wo man einfach herumwandern und verlieren kann. Es hat sowieso keinen Sinn, auf eine Karte zu schauen, verirren tut man sich sowieso.
Wenigstens hat man mit dem Meer einen guten Orientierungspunkt: Geht es runter, gehts normalerweise Richtung Küste... falls es natürlich keine Sackgasse ist. Und plötzlich ist man im Garten der Familie Müller/Keller/Schmid
Schönheit und Verfall sind nie weit voneinander entfernt. Unten am Hafen: Das würde ich mal als missglückte Modernisierung bezeichnen.
Die chilenischen Strassenhunde sind wirklich unglaublich.

Weil sie unter weniger Misshandlungen leiden, als ihre südamerikanischen Gegenstücke, sind sie erstens viel dicker und zweitens unglaublich zutraulich. Wenn man vom Ausgang nach Hause läuft, folgt einem meistens ein Rudel Strassenhunde - als seist du ihr Herrchen und gingst mit ihnen spazieren.

Ausserdem können sie an den ungemütlichsten und chaotischsten Stellen liegen und so tun, als sei dies das bequemste Bett der Welt.Valparaíso hat eine Reihe von uralten Liften, welche von "El Plan" auf die 42 Hügel hoch führen. Hier der Ascensor Artillería.
Blick auf Valparaíso und den Hafen von Cerro Artillería aus.

Am Tag darauf gab es einen Ausflug ins Haus von Pablo Neruda in Isla Negra.
Pablo Neruda wird, unter anderem von Gabriel García Márquez, als einer der einflussreichsten Dichter des 20. Jahrhunderts bezeichnet. In der Populärkultur ist er vor allem wegen dem Film "Il Postino" bekannt, welcher auf einem seiner Gedichte basiert.

Ich stelle vor: Meine neue Brille, hinten Nerudas Haus. Neruda war ein Lebemann: Trotz Mitgliedschaft bei der kommunistischen Partei (Widerspruch Nummer eins) hatte er mehrere Häuser, welche vollgestopft waren mit geschmackvollem Ramsch (Widerspruch Nummer zwei).
Das Haus ist gebaut wie ein Schiff. Neruda liebte das Meer und die Schifffahrt... er mochte es jedoch nicht, selbst auf einem Schiff zu sein, und baute darum seine Schiffe auf dem Land.
Das Museum und das Haus waren wirklich sehr interessant.

Hier seine Flaschensammlung.
Chile ist zum Teil wirklich ein wenig schweizerisch: Dieses Schild würde jedenfalls in einem kolumbianischen/peruanischen/bolivianischen Bus völlig deplatziert wirken... auch wenn man manchmal wünschte, es sei dort.
Wieder zurück in Valparaiso: Herr Diktator Pinochet zügelte das Parlament von Santiago nach Valparaiso an die Stelle eines seiner Jugendhäuser. Ich würde mal sagen: Typisch grössenwahnsinnig diktatorische Architektur. Musste direkt an Mussolinis Schreibmaschine in Rom denken.
Valparaíso verfügt über die ältesten Omnibusse der Welt, welche noch in Betrieb sind. Es ist wirklich unglaublich, wie viele Häuser in dieser Stadt auf kleinstem Raum zusammengezwängt sind.
Wellblech und hinten der Hafen

Kreativität und Verfall gehen hier Hand in Hand
Das Erbeben in Chile vor einigen Monaten ist immer noch sichtbar. Dieses Thema wurde nun jedoch durch die Tragödie in einer Mine im Norden abgelöst. Wirklich beeindruckend, wie dies die News hier dominiert und den ohnehin nicht allzu schwachen Patriotismus der Chilenen hervorbringt. Ganz nebenbei ist die Tragödie wirklich krass und lässt mich an "Huis Clos" und Sartre denken: "L'enfer c'est les autres". Vier Monate in einem Raum mit 33 Leuten...

Ein weiteres Schild Marke Chile/Schweiz... Ausserdem war das Haus mit Stacheldraht umgeben. Wohl ein Sicherheits- und Ruhefanatiker.
Und hier meine Gastgeber: Charlotte (Frankreich), fleissig am Solitaire spielen, und Roberto (Ecuador), fleissig seine Präsentation am vorbereiten...
Von Viña gibt es leider nicht viele Fotos. Ist ein wenig das Miami Beach von Chile... ausser dass das Meer wegen der Humboldtströmung unter 10 Grad warm ist.
Viña... und im Hintergrund Valparaíso
Das einzig wirklich interessante in Viña ist die Anordnung der Balkone, damit ein möglichst grosser Anteil der Bewohner eine möglichst gute Meersicht hat. Ich habe eine sehr interessante Klassifizierung der verschiedenen geometrischen Lösungen entwickelt... die leider aber so unglaublich interessant ist, dass ich sie hier nicht erwähnen kann.
Ah ja: "The Inception" ist übrigens schlecht und unlogisch.