Montag, 22. Februar 2010

Letzte Woche in Medellín - Milagro de los Andes

Es ist schon fast ein Monat her, dass ich mich zum letzten Mal meinem Blog gewidmet habe. Ein Monat mit vielen Eindrücken und ich war zumindest in meinen Gedanken ziemlich oft präsent auf dieser Seite.

Zudem hat sich mein Leben in den letzten paar Wochen nicht auf den Kopf gestellt. Ich bin zwar stolzer Besitzer eines verlängerten Touristenvisas (dies ist leider aber nur bis zum 10. März gültig und ich überlege mir noch, um es diese Woche nochmals zu verlängern), mein Computer ist stolzer Besitzer eines neuen "Windows 7 Ultimate"-Betriebsystems, Anasol hat ein Kochbuch für arabische Küche gekriegt (womit wir auch schon fleissig experimentiert haben), und Kater Tito ist stolzer Besitzer einer neuen Kartonkiste (und könnte nicht glücklicher sein).

Eigentlich hätte es viele Sachen zu berichten oder zu diskutieren gegeben: Politiker und ihre feudalen Rechte in Kolumbien, Hunde in kleinen Wohnungen, Kinosäle und Disziplin, viel Verkehrstechnisches (Parkieren an Kreuzungen, wie fährt man auf einer Autobahn, viele Angelegenheiten in Verbindung mit Lichtsignalen, die Einführung von FlyPass, platte Reifen, Valet Parking, Trottoirs und parkierte Autos, Fussgänger und Respekt), Paisas und fanatische Sauberkeit, Kolumbianer mit Kleidergeschmack; Gringos und Sextourismus; Sex und die weltweit führende Stellung von Medellín in Sexchats.

Auch kulturell gab es viele Inputs: Nachdem ich schon den Artikel meines Spanischlehrers über die Verfilmungen des "Milagro de los Andes" (die Geschichte der 16 Passagiere, die 72 Tage nach dem Absturz ihres Flugzeugs gerettet wurden... vor allem berühmt, weil sie die Leichen ihrer Freunde essen mussten, um zu überleben) gelesen hatte, schaute ich mir die erste Dokumentation an ("Vengo de un avión que cayó en la montaña" von Gonzalo Arijón), dann die schreckliche amerikanische Verfilmung "Alive", dann die Dokumentation zur Verfilmung "Alive: 20 years later", und schlussendlich habe ich auch noch das Buch von Piers Paul Read gelesen: "Viven!: La Tragedia de los Andes".

Kurzum: Ich bin wohl etwa ein gleich fanatischer Anhänger der Geschichte wie Daniel (mein Spanischlehrer) geworden. Ich habe nun nämlich Lust, die erste Dokumentation wieder anzuschauen und das neuste Buch ("La Sociedad de la Nieve" von Pablo Vierci) über den Unfall zu lesen.

Es ist nämlich sehr spannend die verschiedenen Quellen der Geschichte zu vergleichen. Während das Buch von Piers Paul Read, das zwei Jahre nach dem Absturz veröffentlicht wurde, sehr objektiv und kritisch ist, wird die neueste Dokumentation von Arijón (ein Freund der Überlebenden) ausschliesslich aus der Sicht der 16 Überlebenden erzählt. Gleichzeitig ist die Dokumentation zur amerikanischen Verfilmung viel kürzer, beinhaltet aber viel mehr Informationen als jene von Arijón, weil darin ein Erzähler die Fakten liefert und nicht nur die Überlebenden sprechen lässt.

So entstehen aus ein und derselben Geschichte viele verschiedene Versionen. Die Dokumentation von Arijón zum Beispiel vergisst beinahe die Rolle von Marcelo Pérez, der nach dem Absturz die Führungsrolle übernommen hatte, dann aber in einer Lawine umkam. Die Geschichte wird in diesem Fall durch die Überlebenden geschrieben und nicht durch die Reichen (Kommunismus) oder die Sieger (2. Weltkrieg).

Ausserdem habe ich im letzten Monat ziemlich viele Filme gesehen: The Lovely Bones (trotz sehr schlechter Kritiken, sehr gut), The Blind Side (fast ebenso kitschig wie schlecht), Waltz with Bashir (absolut genial)... Es gibt noch mehr, aber die habe ich vergessen.

Noch eine religiöse Anekdote: An Aschermittwoch (ein Datum im Kirchenkalender das bisher unerkannt an mir vorbeigezogen ist) liefen plötzlich alle mit einem Aschenkreuz auf der Stirn rum. Sinnbildlich für die Scheinheiligkeit vieler, die bereit sind einige (vor allem eigene) "Sünden" zu akzeptieren (z.B. Sex vor der Ehe und Untreue) und gleichzeitig katholische (politische) Dogmas aufs Schärfste zu verteidigen (z.B. Homosexualität, Abtreibungen).

Daniel, der Professor, hat mir erzählt, dass er mit einem Freund in seiner Uni an einem Stand vorbeilief, wo mehrere Pfarrer im Eilverfahren Kreuze auf die Stirn der Studenten malten (was ja offensichtlich am Sinn des Aschermittwochs vorbei geht - dem Gedenken an die Busszeit Jesus). Der Freund von Daniel fragte einen Pfarrer, warum die Studenten einfach so nach dem Fastfood-Prinzip ein Kreuz auf die Stirn bekämen... Der Pfarrer fragte darauf, ob er auch ein Kreuzlein wolle. Worauf dieser wiederum antwortete: "No, yo lo hago por internet."

Nun noch kurz auf den Boden der Realität zurück: Wir waren nämlich auch noch in Guatapé, Wasserskifahren natürlich. Hier ein Foto der Finca von der Tante Anasols. Die Finca hatte es noch nie auf den Blog geschafft... Spinne auf dem Weg hoch zur Finca
Ah ja: Es gab wieder neue Taubeneier... diese wurden aber nach kurzer Zeit von den Eltern verlassen und starben als Waiseneier auf dem harten (und schon erwähnten) Boden der Realität, nach einem Flug von vierten Stock in den Rasen neben dem Edificio Alcazaba.
Und zu guter Letzt: Zur Ehre meiner Nacional Medellín "Schirmmütze", lud uns Miguel zum Derby Nacional gegen Independiente Medellín ein. Die Partie war sehr schlecht... nur Nacional, also mein Klub, war noch schlechter. Verdient mit 1 zu 2 verloren. Mal schauen ob ich die Mütze in Zukunft noch aufsetzen werde.

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