Montag, 27. September 2010

Che! Vos estás en Argentina! Vorläufig.

Ein südamerikanischer Spruch besagt, dass wenn ein Argentinier Selbstmord begehen will, er einfach von seinem Ego hinunter springt. Doch: Die Argentinier sind halt eben gleichzeitig auch eines der gastfreundlichsten, offensten und aufgeschlossensten Völker der Welt. Man kommt in diesem Land an und wird sofort von der Wärme der Leute eingenommen.

Es wird einem ein Mate angeboten, es wird auf die Schultern geklopft und man wird so begrüsst, wie man das in der Schweiz vielleicht nach 20 Jahren engster Freundschaft tut. Man ist ihr "Che" und sie freuen sich wirklich, wenn man nach drei Tagen wieder in die Agentur kommt.

Jedenfalls solange man nicht sagt, dass irgendwas (egal was) in Chile besser sei.

Ich kam mit dem Bus von Chile in El Calafate an. Die Stadt (vor fünf Jahren noch ein Dorf) ist nach einer Beere benannt. Wenn man diese Beere isst, dann kommt man angeblich wieder nach Patagonien zurück. Bis jetzt habe ich die Beere jedenfalls noch nicht gegessen.

Der Grund, wieso El Calafate eine Stadt wurde, ist einerseits die Wirtschaftskrise von 2002 und der darauf folgende Tourismusboom, und andererseits der Perito Moreno Gletscher.

Hier die Eisberge des Upsala Gletschers auf dem Lago Argentino
Adler und Häsli
Den Eintrittspreis zum Parque Nacional de los Glaciares haben die Argentinier (natürlich nur für die ausländischen Touristen) in den letzten Jahren mehr als verdoppelt. Den Grund merkt man spätestens dann, denn man die "Curva del los suspiros" genommen und zum ersten Mal einen Blick auf den Gletscher hat.
Der Glaciar Perito Moreno ist einer der wenigen Gletscher der Welt, der noch wächst.
Ganze zwei Meter bewegt sich der enorme Gletscher jeden Tag vorwärts
Spass mit dem Selbstauslöser
Highspeed-Selbstauslöser-Treppenrunning. Wo ist Walter?
Unser Freund, der Vogel mit den roten Augen
Das Resultat der ständigen Bewegung des Gletschers ist eindrücklich: Die riesige Eismasse krächzt und stöhnt und in enormen Explosionen stürzen die Eismassen ins Wasser.
Frühling
Hier der Nordteil des Gletschers und der Canal de los Témpanos

Die Pasarelas waren ziemlich neu. Und weil die meisten Touristenhühner nur auf den oberen und den südlichen Plattformen herumgackerten, hatte ich den viel grösseren und spektakuläreren Nordteil fast für mich alleine.
Ein berühmter Satz hier sagt, dass man den Gletscher nicht gesehen hat, bis man ihn gehört hat. Ein akustisches Erlebnis.
Die Pasarelas bis zum alten Eingang sind mehr als ein Kilometer lang... und fast alle lassen sich diese spektakuläre Sicht auf den Glaciar entgehen. Ausserdem ist es hier windgeschützt und viel viel wärmer als auf der Südseite.
Touri mit neuen Schuhen
Wiedermal ein Vogel
Perito Moreno war übrigens ein Wissenschaftler, welcher um die Jahrhundertwende Patagonien bereiste und erforschte. Sobald die Sonne weg ist wird der Gletscher durch eine optische Illusion unglaublich blau.

Spass mit der Belichtungskorrektur und dem schwarzen Wald hinter dem Gletscher.
Grössenvergleich. Boot 10 Meter - Gletscher 60 Meter
Stegge

Und schon wieder... wie ein Model
Je blauer das Eis, desto dichter ist es.
Hier trifft der Gletscher aufs Festland und blockiert das Wasser, das vom Brazo Sur und vom Brazo Rico hinunter fliesst.
Alle zwei Jahre ist der Gletscher so weit im Landesinneren, dass er das Wasser komplett staut. Bis der Wasserdruck zu gross wird und der Eisdamm in einer riesigen Explosion bricht.

Der kleinere Südteil und der Brazo Rico
LSD
Gletscherströme
Import
Der Vollmond geht unter, die Sonne geht auf
Nach diesem eindrücklichen Tag verliess ich El Calafate und mein Hostel MarcoPolo Suites (mehr ein Hotel als ein Hostel), und buchte über BAFT (eine neue Agentur in Calafate mit coolen Besitzern) einen Trip nach El Chaltén, die selbsternannte Trekkinghauptstadt Argentiniens.

Die Fitz Roy Bergkette
Nachdem ich in das Hostel Rancho Grande eingecheckt hatte, profitierte ich vom genial schönen Frühlingswetter und warf mich in meine Wanderausrüstung... d.h. in die Kleider die ich halt gerade anhatte. Umarmung. Cerro Torre (3128m)
Hoch gings zur Laguna Torre und zum Glaciar Grande (links) und Glaciar Torre (rechts). Im Vordergrund der nicht einmal schulterhohe Zwergwald.

Laguna Torre
Noch mehr Eis
War eine gemütliche 5-stündige Wanderung. Das Wetter war super und es hatte fast keine Wanderer.
Es spriesst in allen Ecken
Auf dem Rückweg
Kurz vor El Chaltén erreichte meine neue Vogelbegeisterung einen neuen Höhepunkt: El Carpintero magallánico, oder gigante. Cooler Haarschnitt, fast keine Scheue, sehr fleissig und sehr ernst bei der Arbeit... und das beste: Eine unglaublich lustige Stimme. Woody Woodpecker halt.
Río Fitz Roy
Blick zurück
El Chaltén ist Argentiniens jüngstes Dorf. Es wurde 1985 gegründet, um die Grenze zu Gunsten Argentiniens definitiv zu bestimmen und um Ansprüche Chiles zu bekämpfen. Es fehlen immer noch elementare Dinge, wie zum Beispiel: Natelempfang, Internet, oder einen billigen Supermarkt. Einen Friedhof gibt es zwar schon, aber dort ist bis jetzt noch niemand begraben.
Dafür gibt es aber dutzende Hotels, Restaurants, Strassenhunde und Trekkingshops... und das alles ohne Stadtplanung.
An meinem zweiten Tag in El Chaltén entschied ich mich, trotz milder Warnungen der Parkwächter wegen Schnee auf dem Weg, zur Laguna de los Tres hinauf zu laufen.
Und hier sind sie schon wieder fleissig bei der Arbeit
Mein Ziel im Morgenlicht: Der Cerro Fitz Roy (3405m), benannt nach dem Kapitän von Darwins Schiff.
Laguna Capri
Die Kuppe rechts unten ist mein Ziel
Glaciar Piedras Blancas
Sumpf

Nach einem ziemlich anstrengenden letzten Kilometer, bei dem einige Argentinier erschöpft aufgeben mussten, erreicht man die Laguna de los Tres. Super.
Und nur ein paar Meter weiter geht steil nach unten... nur nicht direkt in die Laguna Sucia hineinfallen!
Der Fitz Roy mit dem Glaciar Río Blanco und der Laguna
Da ich schon ziemlich früh wieder unten war, entschied ich mich, auch noch den Sendero Madre e Hija zum machen, um nicht schon um zwei Uhr im Dorf zurück zu sein.
Hier das ganze Granitmassiv.
Meine Lernkärtchen verursachen in Südamerika einiges an Wirbel und Verwirrung. Die Leute schauen einen komisch an und ich musste sie an der bolivianisch-chilenischen Grenze hervorholen und dem chilenischen Grenzbeamten erklären, dass dies keine Drogen seien. Dafür erhielt er eine gratis LAT-Lektion (Lern- und Arbeitstechnik) Schweizer Art.
Bartflechte. Herr Schertenleib sagte: "Dies ist ein Zeichen für gute Luftqualität." Auch wenn die Südamerikaner, und das nervt mich immer noch irgendwie, auch bei einem 30-minütigen Stopp den Motor nicht abstellen.
Laguna Madre (rechts) e Hija (links). Wobei die Tochter komischerweise höher liegt und das Wasser folglich von dort in die Mutter fliesst und nicht umgekehrt.
Rot
Der Strand. Unglaublich dünne und feine Granitplättchen.
Einfach faszinierend
Der Strand
Der Wald gleich bevor der Weg Madre e Hija sich mit dem Pfad zum Lago Torre hinauf kreuzt.
Alte Freunde
Das Resultat der harten Arbeit
Und wieder einmal posiert der rotäugige Vogel mit der Vorliebe für exponierte Stellen
Und wieder ist der Cerro Torre in Wolken gehüllt
Nach zwei unvergesslichen Treks, hiess es dann schon wieder Abschied nehmen von Argentiniens Junior.
Mittlerweile bin ich schon wieder in Chile angekommen. Von hier, Punta Arenas, geht es dann zum letzten Mal weiter nach Süden, Richtung Feuerland. Zurück nach Argentina!