Sonntag, 28. März 2010

Popayán und Cali: Semana Santa und Salsa?

Das heutige Zitat kommt von Héctor Abad Faciolinces neuem Buch "Traiciones de la memoria" (und gefällt mir übrigens sehr gut - also konzentriert lesen bitte):

"Cuando uno sufre de esa forma tan peculiar de la brutalidad que es la mala memoria, el pasado tiene una consistencia casi tan irreal como el futuro."

Heute gilt es zwei total unterschiedliche Städte bloggerisch abzuhandeln: Popayán und Cali... oder Geschichte und Moderne (und Zukunft?)... oder Langeweile und Leben... oder schön und hässlich...?

Wie schon im vorherigen Eintrag beschrieben ist die Semana Santa in Popayán, dem ursprünglichen Zentrum des Valle del Cauca (bis Cali die Stadt überholte), eine grosse Sache - und übrigens auch, wieder mal, ein UNESCO Welterbe.

Die ganze Semana Santa durch gibt es unzählige Prozessionen, wobei die Popayaner ihre Marien-, Jesus- und Heiligenstatuen durch die Strassen spazieren führen, beten, singen und die Pfarrer "Viva la religión católica" rufen (obwohl Maria definitiv - noch vor ihrem Sohn - am meisten Crowdsupport erntet).

Hier nochmals die Kirche San Francisco... vor der ersten Samstagsprozession. Unruhige Stimmung in der Stadt... und viele Sicherheitskräfte
Semana Santa in Popayán ist aber vor allem auch eines: Ein riesen Geschäft! Die Hotelpreise verdoppeln sich... und Maria wird gesponsert durch Carrefour Während Juan Valdez technisch gesehen die besseren Sponsoringvertrag abgeschlossen hat (obwohl Maria auf der Strasse wie gesagt mehr Support hat)
Popayán: La Ciudad Blanca
UNESCO Welterbe
Und die Prozession beginnt: Alle Leute haben sich schön heraus geputzt
Und die Weihrauchträgerin fächelt den Weihrauch an...
Was soll ich dazu sagen: Ist schon eindrücklich, so etwas zu sehen.
Priester voraus
Fotoexperiment
Nach dieser Eröffnungsprozession für die Semana Santa, traf ich zufällig Alex, einen Schweizer aus meinem Hostel, zusammen mit seiner Couch-Surfing Kollegin Yuly und ihrem argentinischen Freund... wir gingen dann noch die Semana Santa Partyszene "abchecken". So heilig geht's nämlich nicht zu und her (auch wenn der Abend alles andere als wild war).

Das ist noch ein Relikt aus Bogotá: Ich wurde nämlich endlich durch einen Casting Agent auf der Strasse angesprochen... Vielleicht winkt sogar eine Rolle in "Sin tetas no hay paraíso"! Mein Hostel: Hosteltrail. Leider habe ich den ziemlich coolen Hostelhund, Ally, nicht fotografiert.
Die Nacht im Hostel war leider ziemlich unruhig... weil zum einen viele Autos am Hostel vorbeifahren (die jedes Mal, wenn das Lichtsignal auf grün schaltet, hupen), und zum anderen meine Latina-Zimmerkollegin um 5 Uhr morgens Anrufe entgegen nahm...

Am nächsten Abend folgte ich dem Tipp im Lonely Planet: "El Morro de Tulcán (...) is a good place to watch the sunset."

Fazit: Stimmt Fotos im Sekundentakt...
Und dann kam schon der allseits beliebte Palmsonntag. Der Tag meiner Erstkommunion (wegen welcher ich zum ersten Mal eine blaue Haarsträhne machen durfte) und der Grund wieso der kolumbianische Nationalbaum, die Wachspalme (siehe Eintrag vom Valle Cocora), vom Aussterben bedroht ist.

Wieder mal die Iglesia San Francisco... die Heiligenfiguren stehen schon für die Prozession bereit... ... während in der Stadt noch im letzten Moment die Wände fertig gestrichen wurden. Religion entbehrt in Kolumbien jeglicher Ironie. Wie kommt eine Krankenversicherung auf die Idee, unter einem ans Kreuz genagelten Fuss Werbung zu machen? Falsch versichert, oder was?
Und dann begann endlich die Prozession. Von der obersten Kirche über einen Kreuzweg in die Stadt runter.
Auch ein Polizist ist ein Tourist... Nummer eins
Alle den Statuen nach
Schwere Last
Auch ein Polizist ist ein Tourist... Nummer zwei
Etwas, was in Südamerika auffällt: Die Leute pissen an allen möglichen Orten. Bis zu diesem Jungen hier, der auf Geheiss seiner Mutter neben die Kirchentüre seicht (drinnen war gerade Messe), war ein alter Mann bis jetzt das Beste: Zuerst will er mir eine Ananas verkaufen, dann legt er die Frucht ins Gras und "brünzlet" gleich daneben... zum Glück habe ich sie nicht gekauft.
Noch mehr Versuche, die Leute für "Asmet Salud" zu begeistern... "ihr werdet es bereuen!"
Auch ein Polizist ist in Tourist... Nummer drei
Rauch
Nach so viel Heiligkeit ging's mit dem Bus an diesem Sonntag noch in die Stadt des Salsa und der Sünde: Cali. Jesse, mein Gringo-Freund aus San Augustín musste auf dieser Strecke übrigens einen FARC-Angriff aus nächster Nähe miterleben. Zwei Polizisten starben.

Und was läuft im Taxi vom Terminal zu meinem Hostel: Klassische Musik! Soviel zur Stadt der Salsa... Nach dem Check-In im Pelican Larry Hostel: Schlaf nachholen. Danach ins grösste Shoppingzentrum der Stadt auf die Suche nach Essen.

Am nächsten Tag: Parque del Gato Es tut mir sehr Leid für all die Caleños, aber Cali ist definitiv keine schöne Stadt. Ich wurde fast literarisch, als ich durch diese Stadt lief, auf der Suche nach etwas Schönem. Mir kam es vor, als ob Strassen und Strassen und Strassen die Stadt bestimmen. Die Häuser sind nur Dekoration, damit man etwas zum dran Vorbeifahren hat. Schöne Häuser hat es zwar, aber keine schönen Viertel.

Hier das Teatro Nacional Iglesia la Merced
Das wohl kleinste Karussell der Welt
Tauben
Kirche
Verkehr
Mein Hostel... viele Männer, keine Frauen - was ist wohl der Grund?
Am Abend holten mich dann Andres und Angela ab und luden mich zu einem Bier mit Freunden ein. Andres ist der Austauschsjahrfreund (ja, dieses Wort gibt's!) von Anasol.

Am nächsten Tag ging es dann mit den beiden auf Reise in die Umgebung Calis. Fotos neben dem Monumento a Cristo Rey.
Cali im Smognebel
Rio de Janeiro?
Der Río Pance: Abkühlung von der Hitze Calis
Ein schöner Ort
So... Ich werde gar nicht mehr viel dazu schreiben und diesen Eintrag endlich beenden.

An diesem Abend bestieg ich den ziemlich vollen Bus (Semana Santa) zurück nach Bogotá. Sehr gute Sache: Keine arktischen Temperaturen und keine Vallenato-Videos die ganze Nacht! Und: Gute Sitze.

Donnerstag, 25. März 2010

Von der Kälte ins Grüne zum Weissen. Teil II: San Augustín und Popayán

Von der Kälte Bogotás ging's dann mit einem Nachtbus, der definitiv nicht für europäische Beine gebaut wurde, Richtung San Augustín. Das ist ein Dorf im Süden Kolumbiens, bekannt für die prä-hispanischen Steinskulpturen und Gräber. UNESCO-Welterbe.

Nachdem ich mich zuerst einmal ein paar Stunden von der turbulenten und nicht sehr gemütlichen Busfahrt erholen musste, ging ich am Nachmittag in den Parque Arqueológico von San Augustín.
Vor 2000 Jahren lebten zwei primitive Kulturen in den beiden Flusstälern des Río Magdalena und des Río Cauca. In San Augustín, in der Nähe des Ursprungsortes dieser beiden Flüsse, trafen sich die beiden Kulturen um zu handeln, beten und ihre Toten zu begraben. Leider weiss man nicht viel über diese beiden Kulturen, ausser, dass sie grosse Steinskulpturen hinterlassen haben. Der Fuente de Lavapatas: Kommt leider auf dem Bild nicht so gut zur Geltung... hier wurden verschiedene kleine Bäder, Figuren und kleine Flussläufe in den Stein gehauen. Etwas, was in Kolumbien auffällt ist, dass die Leute an den unmöglichsten Orten ihre Wäsche aufhängen. Dies ist kein extremes Beispiel... hatte halt einfach zum ersten Mal meine Kamera dabei.
"Mami will auch mal sexy auf dem Foto sein", oder: "Die Vorteile eines Spannerobjektivs"
Fazit des Eintrags: Wenn Pinscher klein sind, dann sind sie noch kleiner, als dass sie sonst schon sind. Medellín!
Dreads!
Hier sieht man, dass die Figuren einmal farbig waren...
Tourist
Dieser Falke, oder was auch immer das ist, ist zahm und heisst (glaube ich) Sandra...
Am nächsten Tag, nachdem ich am Abend davor mit einem Holländer, Tijmon, und einem Tschechen der in Medellín lebt (und in allem gegensätzliche Meinungen zu mir hat), Andrej, gab's dann ein Touristen-Programm deluxe: "Tres sitios arqueológicos y tres naturales en un día por solamente 30´000 pesos!"

Das Transportmittel: Un Colectivo. Der Fahrer: Spuckte alle 5 Minuten aus dem Fenster. Meine kolumbianischen Kollegen: Wechselten den ganzen Tag kein einziges Wort miteinander!
Sitio natural Nummer 1: Estrecho del Río Magdalena. In einer Art kleiner Aareschlucht verengt sich der Río Magdalena hier auf zwei Meter. Und schon geht's weiter Richtung Karibik
Sitio arqueológico Nummer 1: Irgendein Museum, dessen Namen ich, weil unbedeutend, vergessen habe. Ein paar Gräber in welche einige idiotische Touristen Abfall hinein geschmissen haben und Indianerpüppchen, die so was wie Silikon in ihrem Holz vor der Indianerhütte haben. Dies wurde um Meilen übertroffen durch den Sitio arqueológico Nummer 2: Alto de los Ídolos. Auch UNESCO Welterbe... ... und mit der grössten aller Statuen: Sieben Meter hoch. Statue
Nach dem sehr billigen Mittagessen (4000 Pesos) in Isnos ging's weiter zur Sitio Natural Nummer 2: Dem Salto de Bordones, mit 400 Metern (!) nach den Salto Ángel in Venezuela (vom Film Up) der zweithöchste Wasserfall Südamerikas. Das grüne Kolumbien
Das Touristenempfangszentrum... Sieht aus wie verfallene 70er, ist aber wahrscheinlich neuer. Sitio arqueológico Nummer 3 führte uns zur Alto de la Piedras und zur Statue Doble Yo: Vier Figuren in einer. Mann mit Hut
Müde von all diesen Sitios waren wir froh (ich nehme es mal an, dass die anderen auch froh waren, auch wenn sie nicht sprachen), endlich bei der letzten Attraktion anzukommen: Dem Salto de Mortiño. Meine Herberge: Die Finca El Maco. Gehört einem Schweizer, der nach Kolumbien ausgewandert ist. Sehr schöner und ruhiger Ort. Den dritten Tag in San Augustín verbrachte ich mehrheitlich mit lesen und Mails schreiben.
Meine Hütte Das absolut genialste an der Finca sind jedoch die Hunde: Fünf Labradore, alle Brüder, Schwestern, Eltern, Cousinen, Onkeln und Tanten voneinander. Habe selten eine so glückliche Hundefamilie erlebt. Fito - mi parcero Am Abend gab's noch eine lustige Überraschung: Ich spielte mit meinem Hüttenpartner Jesse (USA) Karten, als ich die beiden Swinger aus Bucaramanga wieder sah... Man kommt einfach nicht aneinander vorbei.

Jedenfalls entschloss ich mich dann am vierten Tag in San Augustín doch noch etwas zu machen. Und es sollte sich lohnen.

Eine etwa 20-kilometrige Wanderung zu verschiedenen Sehenswürdigkeiten. War etwas schwierig den Weg (und die Wegweiser) zu finden. Mit viel Suchen und etwas Fragen ging es dann aber ganz gut. Bei El Tablón. Auf dem Weg nach La Chaquirá Dieser Ort war mystischNoch mehr Grün
Die Kuppe runter... Unten der Río Magdalena Ein wirklich spiritueller Ort... unglaublich (um es nochmals zu sagen). Man spürt wieso sie hier Statuen in die Steine gehauen haben. Man beachte die Figur im Stein in der Mitte.Was für ein Ort!
Nach viel Sitzen und Schauen ging's weiter... Töff.Die Hügel erinnerten mich irgendwie an den Thurgau. Heimat. An diesem Abend schaute ich noch einen ziemlich krassen Film, The Messenger, über zwei Soldaten, deren Aufgabe es ist, Angehörige über den Tod ihrer Söhne, Brüder, Ehemänner im Irak zu informieren. Nicht einfach...

Am nächsten Morgen nahmen Jesse und ich den Bus von San Augustín nach Popayán (wo ich momentan sitze). Der Bus war übervoll, die Busfahrt spektakulär.

Über Kiesstrassen fährt man die Anden hoch... unter anderem auch durch den Parque Nacional Natural Puracé. Durch Nebelwald, über die Baumgrenze mit mannshohen Palmen, hinunter zu grossen grünen Ebenen mit Flüssen, kleinen Kanälen mit Brücken, Kühen auf grünen Wiesen mit grossen Steinen, Wind und Wolken, kleinen farbigen Häusern, Männer mit Schnäuzen, Ponchos und Motorrädern... wow... ich wusste gar nicht was ich anschauen sollte. Leider konnte ich nicht fotografieren.

Ein Grund um zurück nach Kolumbien zu kehren und dort einen Bauernhof auf zu machen.

Als ich hier in Popayán ankam, beschloss ich sofort, wieder dorthin zurück zu kehren und den Vulkan Puracé zu besteigen... leider musste ich dann erfahren, dass beinahe alle Nationalpärke in Kolumbien wegen der andauernden Trockenheit geschlossen sind. Feuergefahr.

Nun sitze ich also hier im Hostel Hosteltrail (neu, schön, und mit einem Hund - Ally - der sich am Abend zu dir aufs Sofa kuschelt). Popayán wird auch die weisse Stadt genannt... und zu Recht, wie ich gestern feststellen konnte.

Ausserdem ist die Stadt berühmt für seine Semana Santa... was zur Folge hatte, dass alle Mauern gestern noch im letzten Moment weiss gestrichen wurden. Heute sollen die Prozessionen schon beginnen.

Ausserdem ist es eine Stadt mit vielen Torten, Zahnärzten (was mit den Torten zusammenhängt), Drogerien, Fotoläden... aber keinem Supermarkt! Habe jedenfalls lange gesucht.

Parque Caldas mit der Kathedrale
Iglesia de San Francisco Soooo... geschafft. Gratulation an alle, die es bis hier runter zu diesem Satz geschafft haben. Gibt dann einmal ein gratis Kaffee von mir, wenn ihr mich daran erinnert!