Sonntag, 28. November 2010

São Paolo - die Stadt der Städte

Etwas durfte ich schon gleich am Anfang feststellen: Ist man mal endlich in São Paolo angekommen, so ist man noch lange nicht dort. Die Stadt ist eine der grössten der Welt und ihre Bewohner verbringen Stunden damit, in einem unübersichtlichen Labyrinth von Strassen umerzufahren. Hat man mit dem Bus endlich den Stadtrand erreicht, kann es nochmals einige Zeit dauern, bis man sich endlich bis zum Terminal vorgekämpft hat.

São Paolo ist die Stadt der Städte. Sie vereint viele negative Seiten einer Grossstadt... die positiven Seiten mussten den Kampf wahrscheinlich nach kurzer Zeit aufgeben. Zu gross war der Ansturm der in den 80er Jahren am schnellsten wachsenden Metropole der Welt.

Man hat das Gefühl, dass eigentlich niemand hier wirklich leben möchte und alle einfach nur hier sind, weil es hier einfach Stutz zu verdienen gibt. Ein Paulista ist wahrscheinlich der erste, der zugibt, dass São Paolo nicht schön ist. Trotz all den negativen Seiten gibt es auch etwas Positives: Ich kam mit tiefen Erwartungen nach São Paolo, diese konnten nicht enttäuscht werden.

Jedes zerfallene Gebäude, jeder Obdachlose, der neben mir in die Strasse pisste, die stinkenden Flüsse, die acht-spurigen Autobahnen, das unangenehm feucht-heisse Klima... dies alles konnte mir nichts anhaben und war bestenfalls eine Bestätigung meiner Erwartungen.

Dazu kam noch, dass ich bei Cecília und André zu Hause bestens aufgehoben war und wirkliche brasilianische Gastfreundlichkeit erleben durfte. Muito obrigado! Nun aber zu den Bildern des Grauens!
In der Catdral da Sé gibt es "ökologische" elektrische Kerzen
Die Katedrale und die Praça da Sé sind das alte Herz der Stadt. Jetzt hat es vor allem Bettler dort.
Die Armut in den Strassen ist wirklich frapant. Ich habe bis jetzt keine Stadt in Südamerika gesehen, in der das Elend so offensichtlich ist. Crack soll ein grosses Problem sein.
Páteo do Colégio
Am Ort wo heute dieses Kloster steht wurde die Stadt vor bald 457 Jahren durch Jesuiten gegründet
Der Steuerzähler zählt, wie viel Steuern der brasilianische Staat im Jahr 2010 bereits eingenommen hat.
Der Mythos vom Brasilien der schönen Körper wird in São Paolo ziemlich zerstört. Die Leute sind auffallend übergewichtig.
Polizeieinsatz gegen gefälschte Waren an der Rua 25 de Março, der libanesischen Einkaufsstrasse.
Die Leute kommen extra nach São Paolo, um an dieser Strasse völlig dem Kaufrausch zu erliegen.
Der Mercado Municipal, frisch renoviert.

Ein Brasilianer meinte in São Paolo, ich sähe aus wie Enrique Iglesias. Naja
Paulistas bei ihrer Haupaktivität: Umefahre
Der erste Wolkenkratzer der Stadt, das Edifício Martinelli aus dem Jahr 1929.

Der Platz Largo de Paíssandú, wiedermal ein Ort des Elendes. Vor lauter Urin bröckelt die Wand der Kirche ab.
An diesem Platz entdeckte ich einer der coolsten Orte der Stadt: Das Shopping Center Grandes Galerias, bekannt als Galeria do Rock. Ein Gebäude voller Skaterläden, Tätowierer und Piercer, CD's, Design T-Shirts und Gothic-Läden... kombiniert mit einer sehr speziellen Architektur.Die Galeria do Rock, ein Muss für alle die São Paolo besuchen.
Largo de Paíssandú von der Galeria aus.
Am nächsten Tag gab es ein Wiedersehen mit Sylvia (Schottland), mit welcher ich in Córdoba und Iberá war. Wir gingen ins Museo de Arte de São Paolo (MASP), das Museum mit der grössten Sammlung westlicher Kunst in Südamerika. Besonder gefallen hat mir die Ausstellung deutscher Künstler und der Gegensatz zwischen Ostdeutschen und Westdeutschen Künstlern. Das kontroverse Gebäude des MASP von Lina Bo Barde aus dem Jahr 1968.
Sylvia und ich gingen danach weiter in den Stadtteil Luz. Immer noch eines der ärmeren Viertel der Stadt, sind hier in den letzten Jahren einige Museen und Parks entstanden. Hier die Estação da Luz, welche in Grossbritanien vorproduziert und 1901 in Brasilien zusammengestetzt wurde. Noch nie habe ich so einen brutalen Kampf um Sitzplätze gesehen wie hier. Als der Zug auf dem Perron links einfuhr, schlugen sich die Leute wirklich zusammen um als erste den Zug stürmen zu können.
In der Estação Júlio Prestes, im gleichen Viertel wie die Estação da Luz, gibt es ein weiteres Kunstmuseum. Ausserdem wurde der Bahnhof während der Militärdiktatur (1964-1985) als Gefängnis für politische Häftlinge gebraucht.

Memorial da Liberdade
Die Metro: Theoretisch exzellent, aber einige Linien sind hoffnungslos überfüllt.
Mein Viertel: Ipiranga
Kuschelreligion Christentum
Daraus besteht São Paolo hauptsächlich: Strassen
Die Bienale von São Paolo ist einer der weltweit wichtigsten Kunstevents. Cecília plant schon mal den Besuch der riesigen Ausstellung
Cinthia Marcelle, "Sobre este mesmo mundo"
Den Namen habe ich mir leider nicht aufgeschrieben. Konzept: Metallstücke an Fäden hängen wegen Magneten im Boden quer im Zeug herum.
Das Gebäude wurde durch den Vater der modernen brasilianischen Architektur, Oscar Niemeyer, entworfen.
Das genialste Kunstwerk der Bienale: Die verschlungenen Holzgänge des "A origem do terceiro mundo" von Henrique Oliveira... (Fortsetzung folgt)
Selbstporträt
Die kontroversen Zeichnungen von Gil Vincente, in welchen der Künstler verschiedene Politiker und sonstwie wichtige Personen umbringt. Hier das "Autoretrato X - matando Kofi Annan" und "Autoretrato IV - matando Ahmadinejad". Ganz genial finde ich ja, dass er die Zeichnungen als Selbstporträts betitelt.
...die Folge der Fortsetzung: Nachdem man die verschlungenen Gänge aus Billigholz durchquert hat und durch eine Öffnung nach draussen kommt, blickt man zurück und sieht:
Douglas Gordon, "Pretty much every film an video work from about 1992 until now. To be seen on monitors, some with headphones, others run silently, and all simultaneously"
Man muss nicht viel Zeit in der Stadt verbringen bis einem etwas auffällt: Pixação.
Dies sind kryptische Graffiti, welche an den unmöglichsten Stellen zu sehen sind. Ein Video in der Bienale zeigt die letzte Nacht eines Sprayers, der vom neunten Stock eines Wohnblockes runterfällt.
Eine weitere Kreation Niemeyers im Parque do Iberapuera
Cecília und André in Andrés Lieblings Sushi-Restaurant. São Paolo hat die grösste Kolonie von Japanern ausserhalb Japans... und ich war noch nie so gefüllt mit Fisch.
Auch am Eingang von Cecílias Wohnung: Pixação
Wieder das UFO Niemeyers im Parque do Iberapuera

Und noch mehr Niemeyer im Park: Das Auditório Iberapuera, auch bekannt als a língua.
Die Avenida Paulista, das moderne Zentrum der Stadt.
Strassen Strassen Strassen vom Viaduto de Chá aus. Dies hier war vor langer langer Zeit einmal eine Schlucht, welche in der Sprache der Tupi-Guaraní "Tal der Dämonen" hiess.
Die wichtigste Börse Südamerikas: BOVESPA
Auf dem BANESPA-Wolkenkratzer
Viel gibts nicht zu sagen.
Beeindruckendes Panorama. Es verschlägt einem wirklich ein wenig die Sprache, wenn man oben ankommt.
Ziemlich gross, die Stadt.
Die Praça da Sé
Haus auf dem Haus.
Per Zufall trafen Sylvia und ich uns beim Wolkenkratzer. Zusammen gingen wir ins Museu Anchieta im Páteo do Colégio, dem Ort wo Sankt Paulus gegründet wurde. Irgendwie staunt man fast, wenn man an den Modellen sieht, dass es hier einmal Natur gab. Sylvia trinkt den teuersten Kaffee Brasiliens.

Edifício Itália. Das höchste Gebäude des Stadtzentrums.
Edifício Copan. Riesiges Niemeyer-Werk.
Dieses Bild macht mir Kopfschmerzen.
São Paolo São Paolo São Paolo

Ich wurde gewarnt und bin nicht enttäuscht worden. Diese Stadt zu besuchen hat fast etwas masochistisches. Man wühlt sich im Dreck einer Grossstadt, mit ihrer Armut, ihrem Verkehr, ihrem Lärm, den vielen Menschen. Dazu kommt noch ein feuchtes und heisses Klima und viel Regen.

Aber eben: Ich bin nicht enttäuscht worden und fand São Paolo darum eigentlich irgendwie ganz okay...