Donnerstag, 23. Dezember 2010

Medellín: Das Ende des Reisens

Willkommen zu meinem persönlichen kleinen Kulturschock. Die Ferien sind vorbei, und doch nicht; ich gehe nach Hause, aber nicht das richtige; ich treffe einen meiner besten Freunde, aber was macht der bei meiner Freundin, die er doch gar nicht kennt...? Dazu kommen noch 10 Stunden Flug, ein erschöpfender Tag, eine Nacht im Flughafen, ein melancholischer Flashback, trockene Flugzeugluft und immer stärker werdender Körpergeruch. Das Ende des Reisens meiner Reise, aber nicht der Reise selbst. Wie kann man das begreifen? Mein Körper begriff es jedenfalls für lange Zeit nicht und ich trieb einige Tage etwas hilflos in der Gegend herum.

Mein Flug von Rio de Janeiro nach Medellín ging um sieben Uhr morgens. Check-In um 4... Hier mein Bett für diese kurze Nacht.
Viel Herumirren im Flughafen... weltweit gleich.
Mein Flug ging über Lima (Peru) nach Medellín (Kolumbien), mit Kurzstopp in Quito (Ecuador). Vor allem, als ich über die trockenen Bergketten Perus flog, wurde ich ein wenig melancholisch. Vor nicht weniger als acht Monaten reiste ich durch diese Gegend. Anflug auf Medellín.
Kolumbien erlebt nun, nach einer langen Trockenzeit, einen der schlimmsten Winter aller Zeiten (Winter ist in Kolumbien, wenn es mehr als drei Tage lang regnet und kalt ist).
Viele Strassen sind verschüttet und kurz vor meiner Ankunft starben im Stadtteil Bello von Medellín mehr als 85 Menschen durch einen Erdrutsch.
Alles ist überschwemmt. Anflug auf Río Negro.
Der Flughafen José María Córdova
Am nächsten Tag gingen Mario (was macht der eigentlich überhaupt in Medellín? ...und dann noch in Anasols Haus?), Natalia und ich in den armen Stadtteil Santo Domingo.

Simón Bolívar... das Land feiert 200 Jahre Unabhängigkeit.
Die Biblioteca España. Auch bei meinem zweiten Besuch, nach mehr als einem Jahr und Südamerika hinter dem Rücken, erstaunt mich dieser Ort.
Mitten in einem der ärmsten Viertel der Stadt, ein Ort der Kultur, voller Kinder, viel Leben. Fitness.
...und einem atemberaubenden Blick auf die Stadt.
Leider sind die Fotos alle überbelichtet, da ich mit Marios Kamera fotografierte und er den ISO-Wert auf 3200 eingestellt hatte.
Mario und Natalia
An meinem zweiten Tag nach der Rückkehr mache ich das gleiche Foto wie am zweiten Tag nach meiner ersten Ankunft in dieser genialen Stadt.
Blick hinunter
Medellín
Der Cementerio de San Pedro Einer der schönsten und speziellsten Friedhöfe die ich kenne.
Beeindruckt hat mich auch dieses Mal, wie viele Jugendliche hier begraben sind. Der Drogenkrieg ist deutlich noch nicht vorbei und trifft vor allem die armen Jugendlichen.
Unser stressiges Abschiedsprogramm für Mario ging weiter: Im Rancherito auf dem Weg nach Guatapé. Endlich wieder Sancocho!
Mit Anasols Bruder Juan Carlos, Bäumchen und Freunden im Boot.
Natalia im Freizeitlook
Feliiiiiices!
La Piedra
Nach dem Wasserskifahren: Geniale Stimmung auf dem Stausee. Blick auf die Piedra.
Am nächsten Tag war Marios Kolumbienabenteuer schon vorbei. Nach einem hektischen Abend und viel Rätselraten, ob der Flug nun erst am Nachmittag oder schon morgens gehe, kam um 5 Uhr früh die Auflösung: Mit drei Stunden Schlaf im Körper gings schon wieder hinaus nach Rio Negro.

Traurige Abschiede und fröhliche Ankünfte werden im Wartesaal vom José María Córdova schon langsam zur Tradition. Morgenstimmung von El Alto aus mit Blick auf die Hügel von Antioquia.
Neblig
Und auch mein übergewichtiger Freund ist froh, dass ich wieder hier bin. Im diesem Moment wärmt er mir gerade die Füsse.
Am Montag nach Marios Abflug hatte ich zum ersten Mal ein paar Stunden für mich allein und hatte endlich Zeit, um wirklich anzukommen, meine Sachen aufzuräumen, Stieg Larsson zu lesen, Mails zu schreiben... Nun ist es bereits Tag vor Heiligabend und ich habe ausgerechnet, dass es nun schon die dritte Weihnacht ausserhalb der Schweiz sein wird. Es ist Zeit, ein wenig ans Zurückkehren zu denken.

Dienstag, 14. Dezember 2010

Wieso eigentlich nach Rio?

Rio und ich hatten einen schwierigen Start. Es gab so einen Moment in der Mitte unserer Beziehung, nach etwa drei Tagen, da sass ich in einem Park (dem Parque do Flamengo) und fragte mich, wieso ich eigentlich ursprünglich nach gehen Rio wollte.

Rio de Janeiro hat nämlich ein grundsätzliches Problem: Die Stadt ist nicht schön! Sie ist schön gelegen. Ausserdem ist für den alleine reisenden Reisenden ein schwieriges Pflaster.

An der Copacabana und Ipanema gibt es Schwimmer beim Schwimmen, Models beim Modeln, Bodybuilder beim Bodybuilden und Homosexuelle beim Händchenhalten. Das Ausgangsquartier ist klein für eine Stadt die so unglaublich berühmt für ihre Musik und das Nachtleben ist. Der Verkehr ist schrecklich, weil die Stadt langgezogen und bergig ist. Das Wetter ist heiss und feucht oder heiss und nass (wobei man heiss und nass fast vorzieht). Die Strände sind fast so überfüllt wie die Strassen... die wiederum voller hungernder Leute sind.

Eben: Wieso eigentlich nach Rio?

Naja... es gibt schon ein paar Gründe, ein paar schöne Momente und spezielle Orte. Nur hat man die meisten schon tausendmal auf Fotos, im Fernsehen oder bei James Bond gesehen...

Fertig gejammert und zu den knallharten Facts: Um ein wenig den viel zu hohen brasilianischen Preisen zu entkommen, suchte ich von Sao Paolo aus eine Möglichkeit, um in Rio zu couchsurfen. Nach vielen erfolglosen Anfragen sagte eine gewisse Cecilia zu. Ich war sehr glücklich... bis ich die wirklich komplizierte Wegbeschreibung zu ihrer Wohnung sah.

Cecilia lebt an einem sehr speziellen Ort: Auf der Ilha da Gigoia in der Lagoa da Tijuca mitten im Stadtviertel Barra da Tijuca. Um zu ihrem Haus zu kommen muss man zwischen einem Shoppingcenter und einer Tankstelle ein Boot rufen (nachdem man schon die Metro, einen Bus und vielleicht noch ein Taxi hinter sich hat)... Hier mit dem Boot auf dem Weg zum Haus.
Zum Glück, dazu später mehr, hatte Cecilia noch einen weiteren Gast: Tom, ein englischer Sozialist aus Manchester. Mit ihm ging ich am nächsten Tag gleich auf den berühmten Berg Corcovado. Ein Besuch bei Jesus.
Der Blick auf die berühmte Bucht von Rio, welche die Portugiesen fälschlicherweise als Flussmündung wahrnahmen und der Stadt darum den Namen Rio gaben... auch wenn die Bucht nichts mit Flüssen zu tun hat.
Cristo Redentor
Blick auf Leblon und Ipanema mit der Lagoa Rodrigo de Freitas
Der Blick ist wirklich atemberaubend und die Stadt aus der Ferne viel schöner als aus der Nähe
Bar Luiz, eines der ältesten Restaurants der Stadt.
Tom und die Kathedrale in Lapa. Diese beeindruckenden und hässliche (oder auch beeindruckend hässliche) Kirche fasst 20'000 Gläubige.
Das wäre dann der beeindruckende Teil: Über 100 Meter hoch.
Scheiben
Die Arcos do Lapa mit dem Bonde, der letzten überlebenden Tramlinie der Stadt. Der fotogenste Teil der Stadt.
Teatro Municipal
Der Paço Imperial war der Sitz der portugiesischen Königsfamilie, als diese vor Napoleon nach Brasilien flüchtete und Rio de Janeiro zur Hauptstadt der portugiesischen Reichs machte.
Der Innenhof
Travessa do Comércio
Am Sonntag hatte ich die geniale Idee, an die Feria do Rio Antigo zu gehen, einem Markt, der jeden ersten Samstag des Monats stattfindet. Innerhalb von zwei Stunden hatte ich alle Weihnachtsgeschenke gekauft, mehrere brasilianische Spezialitäten gegessen und eine Samba Gruppe gesehen. Das Wetter war super, die Stimmung gemütlich und Rio irgendwie schön. Plötzlich.
Meine Pläne, auf den Zuckerhut zu gehen, scheiterten leider mehrmals. Der Pão de Açúcar ist nämlich notorisch umnebelt.
Der Strand von Botafogo. Zu verschmutzt um zu schwimmen.
Am Wochenende machen die Caroicas vor allem eines: Sie gehen an den Strand. Und zwar alle: Die Dicken, die Dünnen, die Armen, die Reichen, die Homo- und Heterosexuellen, die Kinder und die Alten. Nur eines haben alle gemeinsam: Spärliche Badebekleidung.
Die Strände von Ipanema und Leblon. Weltberühmt und übervoll.
Ipanema vom Ponta do Arpoador aus
Von der Copacabana habe ich leider hier keine Fotos hochgeladen... sieht aber so ziemlich genau gleich aus.
Favelas an den Hügeln hinter der Praia do Ipanema
Der Bonde. Ruckliges Tram hoch zum Stadtteil Santa Teresa.
Auf den Arcos do Lapa
Weit hat der Bonde die Brasilianer an der WM nicht gebracht. Hup Holland!
Favelas von Santa Teresa. Im Unterschied Sao Paolo, sind in Rio wegen der speziellen Topographie, die armen und reichen Gebiete der Stadt stark durchmischt und nahe beisammen. Dieses nahe Beisammensein von Arm und Reich führt auch zu den legendären Sicherheitsproblemen und den hohen Kriminalitätsraten der Stadt.
Die Villa im Parque das Ruinas gehörte einst Laurinda Santos Lobo, welche an diesem Ort Partys für die Intellektuellen und die Künstler der Stadt organisierte.
Aussicht von Santa Teresa auf die Bucht
Wand in Lapa, dem neuen/alten Ausgangsviertel der Stadt.
Die Arcos
Die Beziehung zu meiner Couchsurfing-Gastgeberin war etwas schwierig. Ausserdem lebte sie etwas weit ausserhalb der Stadt, was dazu führt, dass man an Wochentagen fast vier Stunden braucht, um vom Zentrum in den Stadtteil Barra zu kommen. Darum entschied ich mich, trotz des (berechtigt) miserablen Rufes der Hostels in Rio, zu zügeln.
Sicht vom Rio Hostel (viel zu teuer, aber dafür einigermassen okay) in Santa Teresa auf das Zentrum und die Kathedrale.
Motel
Die Escadaria Selaron. Der chilenische Künstler Jorge Selarón entschloss sich, die 215 Stufen dieser Treppe zu einem einzigen grossen Kunstwerk aus Plättli zu machen.
Büsi
Die Bucht
Ipanema beim Eindunkeln.
Im Fotorausch
Der Berauschte
Spiegelung
Nach vielen erfolglosen Versuchen hiess es am letzten Tag in Rio: Jetzt oder nie. Die Prahia Vermelha.
Auf dem Morro da Urca, die Zwischenstation. Unten die verschmutzte Praia de Botafogo.
Eine meiner besten Reisekolleginnen: Somaya aus Deutschland/Tunesien.
Mit dem Bähnli hoch auf den Hut
Spiegel, yeah! Hommage an meine geniale und super resistente Kamera! Liselotte D90.
Blick aus der Wolke auf das Zentrum von Rio und die ebenfalls verschmutzte Praia do Flamengo.
Getting Close
Episch. Dort oben kämpfte James Bond gegen den Beisser!
Oben auf dem Paotschiasukar
Nicht gerade wolkenlos, aber man sah wenigstens (manchmal) etwas. Unten der Stadtteil Urca.
Das schönste an Rio: Die Lage.
Der Morro da Urca. Ganz links (oben) die Copacabana, daneben die Praia Vermelha und rechts die Praia de Botafogo.
Die Copacabana, umwolkt.
In der Bahn Made in Stans.

Im Jardim Botânico
Blüemli
Maya und ich
Winziger Affe
In Rio habe ich einige der besten Graffiti gesehen. Wahre Kunstwerke.

Langbebeintes Schaf
Transsexuelle gelten in Brasilien als nationales Symbol. Es ist total selbstverständlich, wenn ein zwei jugendliche Typen mit ihren transsexuellen Freundinnen in den Ausgang gehen. So was wird man in Kolumbien sicher nie sehen (und in der Schweiz wahrscheinlich auch nicht). Die Sexanzeigen in den brasilianischen Telefonkabinen machen jedenfalls ausschliesslich Werbung für "Travestis".
Zum letzten Mal: Die Arcos de Lapa hoch nach Santa Teresa.
Gute Frage: Wer bezahlt den nun eigentlich die Ente? hat sich das irgendwer schon irgendwann gefragt? Die meisten halten die Ente einfach für selbstverständlich.
Rio hat ein Problem, dass Sao Paolo nicht hat: Man verknüpft mit dieser Stadt gewisse Erwartungen, während man von Sao Paolo einfach wirklich nichts Positives erwartet. Rio war für mich das einzige Ziel in Brasilien, dass ich wirklich besuchen wollte.

Nun... da kommt man in Rio an und findet die meisten der weltweit berühmten Sehenswürdigkeiten genau so vor, wie man es sich vorgestellt hat: Der Jesus auf dem Berg und die Sicht auf die Bucht, der Zuckerhut, Ipanema und Copacabana mit den Hochhäusern dahinter, die Frauen tragen Fio Dental und die Männer spielen Beachvolleyball, die Favelas kleben an den Hügeln, sogar die Obdachlosen tragen Havaianas... und dann?

Dann kommt eben leider nicht mehr viel was den Durst nach Kultur und Schönheit stillen könnte. Vielleicht sollte man besser mit der Freundin gehen. Dann geht man gemeinsam an den Strand, geht in Ipanema einen Kaffee trinken und am Abend in Lapa in eine Bar. Das nächste Mal vielleicht. Mit ein bisschen mehr Stutz.