Dienstag, 26. Oktober 2010

Keiner da in Córdoba

Córdoba, 27. Oktober 2010: Leergefegte Strassen, ein paar Obdachlose in den Parks, Hunde schlafen auf dem Mittelstreifen, Supermärkte geschlossen, Restaurants zu, sogar die Helado-Männer sind zu Hause geblieben... man wundert sich, dass wenigstens die Lichtsignale noch da sind und sogar funktionieren (nicht dass es irgendjemand interessieren würde). Grund ist nicht etwa der Tod von Ex-Präsident Néstor Kirchner an jenem Morgen, sondern die Volkszählung 2010. Jeder Argentinier ist verpflichtet zwischen 8 und 20 Uhr zu Hause zu bleiben, um gezählt zu werden.

Sonst ist Córdoba für mich bis jetzt die sympathischste Stadt Argentiniens. Nicht so unglaublich gross wie Buenos Aires. Viele historische oder sonstwie schöne Gebäude. Wie zum Beispiel die Iglesia Catedral an der Plaza San Martín.
Sonnenbrillen haben bei mir übrigens eine sehr tiefe Lebenserwartung. Zwei Minuten nachdem ich merkte, dass ich meine Brille auf der Kirchenbank liegengelassen hatte, war sie schon nicht mehr da... dafür sammle ich nun Brillenetuis.

Córdoba ist eine der wichtigsten Universitätsstädte Argentiniens und die Universidad Nacional de Córdoba eine der ältesten Südamerikas. Die Universität wurde durch die Jesuiten gegründet, und die Manzana Jesuitica ist seit 2000 Weltkulturerbe. Hier das Colegio Nacional de Monserrat.
Iglesia Santa Teresa
Santa Teresa und im Hintergrund die Kathedrale
Die Kathedrale
Selten hat mich ein Museum so beeindruckt wie das Museo de la Memoria in der ehemaligen Zentrale des Departamento de la Inteligencia (D-2). Während des Prozesses der Reorganización Nacional war dieses Gebäude ein Folterzentrum und Gefängnis. Bibliothek der verbotenen Bücher... hier ein subversives Kinderbuch.
Was mir aber wirklich die Sprache verschlug waren die persönlichen Objekte der Desaparecidos - Personen, die während der Diktatur verschwanden und getötet wurden. Die Vespa gehörte zum Beispiel einem Pärchen, welches eine 1-jährige Tochter hatte. Diese Tochter lebt wahrscheinlich heute bei einer anderen Familie, ohne ihre Geschichte zu kennen.
In dieser Zelle kann man immer noch die Inschriften der Gefangenen lesen.
Der Folterraum. Beim Eingang zu diesem Keller kann man lesen, wie sich eines der Opfer erinnert, wie sie die Treppe hinunter gestossen wurde und den Kopf in einen Kübel mit Fäkalien tauchen musste.
Der Text beschreibt, wie sich eines der Opfer an die drei Treppenstufen und die Foltermethoden an diesem Ort erinnert.
Wirklich sehr sehr beeindruckend
Das Palacio Ferreyra im Stadtteil Nuevo Córdoba. Die Villa wurde renoviert und ist die drei Pesos Eintritt wahrscheinlich mehr wert als Museo Superior de Bellas Artes EVITA. Etwas spooky ist die versilberte Totenmaske Evitas in der Vitrine zwischen den beiden Treppen.
Am gleichen Nachmittag machte ich auch noch eine Tour durch die Universität von Córdoba und die Manzana Jesuitica. Interessant war vor allem die jesuitische Geschichte und die Bibliothek... leider beides nicht fotografierbar. Dafür gibts aber hier ein Foto von einer schwangeren Jungfrau in der jesuitischen Iglesia de la Compañia de Jesús.
Im Moment wird gerade die Beerdigung von Néstor Kirchner auf allen Kanälen gezeigt. Die Inszenierung erinnert sehr an die Rettung der Mineure in Chile. Zu viel triefender südamerikanischer Patriotismus, inszenierte Gefühle, schlecht versteckter Populismus und falsche politische Spiele. Was natürlich nicht heisst, dass hinter dieser Hollywoodsauce auch irgendwo echte Gefühle versteckt sind.
Fahnen auf Halbmast
In 1989 wurde unter der Avenida Colón eine jesuitische Krypte entdeckt. Diese gehörte zu einer nie fertig gestellten Kirche und wurde 1820 bei der Choleraepidemie in Córdoba als Massengrab und noch später als Weinkeller gebraucht. Nach der Wiederentdeckung verwandelte die Stadt die Krypte in ein Museum.
In einem kolonialen Haus aus dem 18. Jahrhundert befindet sich das Museo Histórico Provincial Marqués de Sobremonte. Die Ausstellung ist klein wie die der Name des Museums lang und das Haus schön ist (cheggsch?). Schönes oranges Auto auch noch vor dem Eingang.
Bueno, das war Córdoba. Wirklich sehr sympathisch und ich würde diese Stadt für einen längeren Aufenthalt definitiv an Buenos Aires vorziehen. Wenn die Argentinier nicht ein so schreckliches Spanisch sprechen würden, könnte man sich fast überlegen, hier Casteschano zu lernen...
Nun wäre der Plan, irgendwie nach Curuzú Cuatiá zu kommen - Name komisch wie Dorf weit entfernt. Von dort gehts dann ins Reserva Provincial Esteros de Ibará. Endlich wieder Natur.

Montag, 25. Oktober 2010

Nichts zu sehen in Montevideo

Uruguay ist vielleicht eher ein Ort um hin zu ziehen, als um als Tourist zu besuchen. Wenn man mit dem Boot von Buquebus den Río de la Plata überquert hat und mit dem Bus von Colonia nach Montevideo fährt, sieht man prächtige grüne Landschaften, die Strassen sind von Bäumen gesäumt und es ist angenehme 25 Grad warm.

Montevideo hat man dann aber in ein paar Stunden gesehen... Eine andere grosse Stadt gibt es in Uruguay nicht und alles was "grösste, beste, wichtigste" in Montevideo ist, ist gleichzeitig auch "wichtigster, grösster, bester" des ganzen Landes.

Das heisst aber nicht, dass Uruguay nichts zu bieten hat. Zum einen ist da die Fussballtradition (immerhin zwei Mal mehr Weltmeister als Holland, siehe diesen Eintrag), zum anderen zum Beispiel das Teatro Solís.
Man wird durch super seriös angezogene und überehrgeizige Studenten der Tourismusschule durch das wichtigste Theater des Landes geführt. Der Hauptsaal ist wirklich beeindruckend.
Der ehemalige Mercado del Puerto ist nun voller Restaurants und Parillas. Auch ich bekam mein Stücklein Fleisch (und habe es seit dieser endgültigen Überdosis nicht mehr geschafft, mich für Fleisch zu begeistern).
Plaza Matriz, der schönste Platz von Montevideo (und darum auch der schönste des Landes)
Das Teatro Solís von aussen
Das Palacio Salvo war das höchste Gebäude des Kontinents, als es 1927 gebaut wurde.
Das Mausoleum des uruguayischen Nationalhelden José Gervasio Artigas.
Die beste Sehenswürdigkeit Montevideos steht in ein keinem Touristenführer: Fuente de los Candados. Wenn ein Liebespaar ein Schloss mit den Initialen an diesem Brunnen befestigt, werden sie eines Tages an diesen Ort zurückkehren und sich für immer lieben.
Die Rugbymannschaft, welche 1972 in den Anden abstürzte und 72 Tage in Schnee und Eis überleben musste (was sie zum Kannibalismus zwang), kam aus Carrasco, einem Quartier in Montevideo. Als Fanatiker der Geschichte (hier mein Eintrag vom Februar) besuchte ich die Schule der Rugbymannschaft, das Colegio Stella Maris... leider aber nichts Spezielles. Der Vater des Receptionisten meines Hostels (El Viajero) spielte angeblich auch in der Mannschaft, war aber zu diesem Zeitpunkt verletzt und konnte nicht mitgehen.
Der Strand von Carrasco am Río de la Plata, der breiteste Fluss der Welt.
Wieder die Plaza Independencia mit Artigas
Im Bus nach Colonia
Einziger Beweis, dass ich auch wirklich in Uruguay war
Uruguay vom Bus aus
Fiat 850
Abendlicht im neuen Stadtteil von Colonia
Die Strassen hier sind gesäumt von Plantanen
Río de la Plata
Colonia del Sacramento wurde 1680 durch den Portugiesen Manuel Lobo gegründet, um Waren nach Buenos Aires auf die andere Flussseite zu schmuggeln. Das Barrio Historico der Stadt ist UNESCO Weltkulturerbe und wäre wirklich schön. Es ist aber ein wenig schade, dass dieser Teil nicht für den Verkehr gesperrt ist und der historische Teil ein einziger grosser Parkplatz ist.
Nicht immer sieht das nämlich so schön aus wie hier.
Der Leuchtturm
Wegen der vielen Autos überall, habe ich auch fast keine Fotos gemacht. Hier das Casa Nacarello und das Museo Municipal an der Plaza Mayor 25 de Mayo.
Die ist die älteste Kirche Uruguays, die Iglesia Matriz
Plantanen
Mit dem Seacat ging es dann am Abend wieder über den Río de la Plata nach Buenos Aires und Argentinien. Hier Colonia vom Schiff aus.
Buenos Aires
Der Hafen von Buenos Aires
Irgendwelche letzten Worte zu Uruguay? Irgendwie nicht. Das Land ist mir wirklich sympathisch. Auf der anderen Seite hat es für einen Touristen wirklich nicht sehr viel zu bieten und es ist zum Teil etwas "puffig"... irgendwie aufgeräumt aber doch nicht wirklich.

Ein Wort muss immer das letzte sein, wenn man mal ein erstes Wort geschrieben hat. Amen.

Donnerstag, 21. Oktober 2010

Schlechte Luft in Buenos Aires

Wenn ich in einem Wort ein Fazit zu Buenos Aires schreiben müsste, dann wäre es: Gross. Nicht Christian Gross, der ist ja jetzt sowieso arbeitslos, sondern "zu gross". Die Grösse Buenos Aires hat viele Auswirkungen. Erstens kann man unendlich viele Stunden durch die Stadt irren... und es gibt viele gute und schlechte Dinge, die es immer gibt, wenn viele Menschen auf einem Haufen leben: Viel Kultur, Konzerte, Abfall, Smog, Szenen, Autos, guter öffentlicher Verkehr, verschiedene Viertel, verschiedene Kulturen, Strassenkinder, Penner, Strassenhunde, norwegische und armenische Restaurants, kaputte Trottoirs, Kriminalität, Touristen in Touribussen, lange Blogeinträge...

Genau um den Eintrag nicht allzu lang zu machen, wird nun besser einmal in die Tastatur gespuckt und largamos las velas! Mein Viertel: San Telmo
San Telmo war zuerst das Viertel der Reichen, bis die Gelbsucht zuschlug und die armen Immigranten das Viertel übernahmen. Heute ist das Viertel vor allem bekannt für die Antiquitäten.
Wieder einmal Zinnsoldaten

Der Held des Tangos: Carlos Gardel. Anscheinend singt er, auch wenn er 1935 in Medellín bei einem Flugzeugunglück gestorben ist, bis heute jeden Tag besser.
Mario: "Metafoto"
Casa Rosada. Der Präsidentenpalast Argentiniens... von wo Evita und Diktator Perón predigten und Madonna (als Evita) "Don't cry for me Argentina" schluchzte.
Das Grab des argentinischen Volkshelden José de San Martín, "a goodlookin' fella".
Catedral Metropolitana
Das Grab in der Kathedrale und die Ehrenwache
Die wohl meistfotografierte Statue in Buenos Aires: Mafalda auf einem Bänkli.
Der Friedhof von La Recoleta
Hier liegt die Crème de la Crème der toten Argentinier "begraben"
Der Friedhof ist wirklich beeindruckend. Fast wir eine kleine Stadt mit Strassen, Gassen und Reihenhäusern.
Am krassesten ist jedoch, dass die Särge hier offen in den Gräbern gestapelt werden... oder wie hier, die Steinplatte runtergefallen ist.
Die meistgefragte Frage des Friedhofs: "Wo ist Evitas Grab?"
Die tote Stadt und die echte Stadt
Die Floraris Genérica
Plötzlich nahm der Buenos Aires Aufenthalt eine Wende: In einer Pizzeria sah ich, dass in zwei Tagen Rage Against The Machine und Queens of the Stone Age am Pepsi Music 2010 in Buenos Aires spielen sollten.

Zeitraffer: Mario schreiben, Tickets suchen, endlich die Tickets erhalten, Flug buchen (Mario), fliegen (Mario), neuen Flug buchen (Mario), zum Flughafen fahren, endlich ankommen (Mario) und genau rechtzeitig zum Konzert kommen (Mario und Manuel). Das Konzert war super.
Jedenfalls wurde aus dem Hombre Solitario ein Team... und das Team Thurgau ging am nächsten Tag zum Zanjón de Granados. In einem Haus, das jemand in den 80er Jahren kaufte wurden bei der Renovation unterirdische Tunnels entdeckt und die Fundamente der Häuser und der Brunnen, welche vor dem jetzt stehenden Haus an diesem Ort gebaut wurden. Der Ort ist eine der wichtigsten archäologischen Fundstätten Buenos Aires, ist aber vor allem wegen der exzellenten Führung den Besuch wert.
Mafalda
Jeden Donnerstag halten die Madres de Plaza de Mayo seit 33 Jahren ihre Demonstration gegen die Diktatur und ihre verschwundenen Söhne und Töchter, deren Kinder (die Enkelkinder der Madres) durch die Diktatur zur Adoption freigegeben wurden. Der Film La Historia Oficial zeigt das Schicksal dieser Kinder und einer Mutter, welche ein Kind adoptiert, ziemlich eindrücklich. Auch Tom Morello, Gitarrist von Rage Against The Machine, nahm an der Demonstration teil.
Die Madres mit ihren weissen Kopftüchern waren die einzigen, die sich während der Diktatur gegen die Tyrannen äussern konnten.
New Style
Boca war das Einwandererviertel von Buenos Aires. El Caminito, eine Strasse mit farbigen Häusern, ist heute jedoch total von Touristen überlaufen. Sogar Mario musste zugeben, dass es zu viele davon hatte, auch wenn er sich am Tag zuvor über Touristen, die sich über Touristen aufregen, aufregte.
Lustiges Foto als Tangotänzer
Bequem
Am Hafen von Boca. Checkin' die nächste Destination.
Spiderman?
Mario an einem seiner geliebten Holztische
Ein grosses Problem in Argentinien ist das Fehlen von Münzen. Vor allem, weil man für den Bus konstant Kleingeld braucht. So sind 1.50 in Münzen tausend Mal mehr wert als eine 2-Pesos Note und das Sammeln von Kleingeld ist eine argentinische Obsession.
Die Universität der Madres und die Kartei der verschwundenen Kinder, welche nun irgendwo, ohne ihr Wissen, adoptiert sind.
El Palacio del Congreso, das Parlament Argentiniens
Mit einer Schulklasse aus tuschelnden Teenies nahmen Mario und ich an einer Führung durch das Parlamentsgebäude Teil.
Der Saal Eva Perón
Der Saal des Senats
Die Tuschelteenies
Mirar de reojo
Das Grab Evitas im Cementerio de la Recoleta
Descansando in der Plaza de las Naciones Unidas (fast jeder Park in Buenos Aires hat eine eigene Facebook Seite)
Am Tag darauf gingen wir nach San Antonio de Areco, Hauptstadt der argentinischen Gauchokultur. Wie man sieht war ich ziemlich verstrichen und nicht sehr gut drauf.
Gireitsli
Seilziehen
Descansando Nummer 2
Krustenkraulen bei Strassenhund
Auch wenn die Familie wegen einer Hochzeit noch ziemlich verkatert und müde war, liessen sie uns in das Museo y Taller Draghi hinein.
Die Plaza Ruiz de Arellano in San Antonio
Zurück in Buenos Aires. Kurz vor dem Abflug Marios zurück zu Haus und Polola Paisa in Medellín liefen wir noch am Puerto Madero vorbei, damit Mario noch ein wenig die Kräne fotografieren konnte. Puerto Madero war der frühere Hafen Buenos Aires, der nun in ein hippes Szeneviertel von Lofts, Hooters, Starbucks und Rascacielos verwandelt wurde.
Puente de la Mujer von Santiago Calatrava
Zum definitiven Abschluss besuchten wir noch ein Konzert von Andy, meinem argentinischen Freund, den ich in Bogotá kennengelernt hatte. Anlass war das Encuentro Mundial de Música Klezmer.
Mario, Andy, seine Schwester Debora und ich nach dem Konzert
Die Plaza de Mayo
San Telmo
Fleisch, eine absolute Obsession in Argentinien. Sogar der Mc Donalds ist hier fleischlastiger als sonstwo.
Zu guter Letzt: Bus Nummer 29. Dieser schien überall hinzugehen wo wir hinwollten... das einzige Problem war, dass er nur selten wirklich kam, oder den Weg nahm, den er eigentlich nehme sollte.
Zitat Don Mario: "‎8 days, 6 flights, 5 airports, 5 concerts, 1 giant headache. Buenos Aires, what a week!" Um den Eintrag nicht zu lang zu machen, habe ich nämlich Konzert Nummer zwei (Avantgarde Tango und eine verdammt coole Band, Merci Andy), Ausgang Nummer eins (Reggae inklusive 3,5 Liter Bier), Perkussionsorgasmen und ein Theater. Chao Buenos Aires. Verdammt gross und verdammt viel erlebt.