Mittwoch, 7. Juli 2010

Die Stadt des Friedens, Todesstrassen und Zucker

Nach einem längeren Unterbruch nun endlich wieder ein neuer Eintrag. Ganz genau gesehen sind es zwei Einträge, aber um meine und des Lesers Geduld nicht zu überlasten, habe ich die letzten zwei Wochen in zwei Einträge aufgeteilt. Zuerst folgt nun Teil eins mit La Paz, die Todesstrasse und Sucre... und schon bald sollen dann Potosí und der Salar de Uyuni folgen.

Zum Zitat:

"Come poquito, camina lentito, duerme solito", Rezept von La Paz gegen Sorroche (Höhenkrankheit)

Ich war immer noch nicht ganz über den Berg, als Anasol in La Paz ankam. Ich konnte immer noch nicht viel essen und fühlte mich ziemlich schwach. Dies hatte zur Folge, dass wir ziemlich viel Zeit in unserem (guten) Hotel "Sol Andino" verbrachten und ich viel Zwieback ass.

Trotzdem schafften wir es, ein wenig durch die Stadt zu schlendern. Hier die Fotos:

Der Mercado de Hechiceria ist eigentlich fast mehr ein Touri-Markt. Trotzdem hat es einige Stände, wo man spirituelle Gegenstände findet. Unter anderem eine sehr grosse Anzahl Lamaföten, welche beim Bau eines Hauses in die Fundamente als Opfer beigegeben werden.
Die Frage ist: Wo kommen all die Föten her?
Der lange herrmannsche Arm!
Die Iglesia de San Francisco. Mitten im paceñischen Chaos... ein wunderschönes Gebäude.
Mit wunderschönen Menschen...
La Paz ist ein einziger grosser Markt. Hier findet man einfach alles... man muss einfach wissen wo. Durch die vielen Wirtschaftskrisen, die dieses Land (nach Haiti das zweit ärmste Lateinamerikas) durchmachen musste, wurden viele Leute in die Mikroökonomie gezwungen. Cholitas, Frauen in traditionellen Kostümen, kommen morgens von El Alto hinunter nach La Paz und sitzen den ganzen Tag bei ihren Waren und hoffen, ein paar Bolivianos zu verdienen.

Hier die traditionellen Hüte der Cholitas (das Wort kommt von Chola, einer Frau indianischen Ursprungs, welche in der Stadt lebt). Anscheinend hat ein Händler diese Hüte am Anfang des letzten Jahrhunderts aus Europa eingeführt und sie als Frauenhüte angepriesen... Ein voller Erfolg!
Ein weiterer Bestandteil der andinischen Kostüms ist die Pollera (übersetzt: Hühnerkäfig)...
...und natürlich die Schuhe. Alles zusammen ergibt das manchmal ein ziemlich elegantes Kostüm.
Ich habe mir auf dem Markt sehr echte neue Adidas für 30 Franken gekauft... und der Penner war auch froh über meine alten Schuhe.

Was auffällt ist, dass es trotz der vielen vielen Leute und des grossen Betriebs unglaublich ruhig ist. Durch die Märkte zu laufen ist fast ein spirituelles Erlebnis, so still ist es. Keine Musik, die Leute sprechen leise, keine Autos. Sehr speziell.

Eine weitere Oase der Ruhe ist die Plaza Alonso de Mendoza. Die Paceños sitzen hier in der Sonne, sprechen miteinander, schauen die anderen Leute an, der Eisverkäufer verkauft Glaces, die Kinder füttern die Tauben. Genialer Ort.
Weniger ruhig war es im Café Sol y Luna während des Halbfinals von Holland gegen Uruguay. Was für ein Goal von van Bronckhorst!
Besuch des Klosters und der Iglesia de San Francisco. Das Museum wurde neu eröffnet und ist super schön gemacht.
Ganz überlebt hat die Iglesia de San Francisco die paceñische "Stadtplanung" jedoch nicht... so wurde dieser Kreuzgang einfach zur Hälfte abgerissen und eine Mauer davor gebaut.
Illegales Foto der Kirche von innen.
Der Platz vor der Kirche. Wohlgeliebtes Chaos mit den Micros und den Ticketverkäufern, welche die Destinationen herausschreien, die Lustrabotas, die für einen Boliviano (15 Rappen) Schuhe putzen, Marktstände mit Cholitas, welche Essen, Vorhängeschlösser und Gelatina mit Rahm verkaufen.


La Paz
Der Gang hinauf zum Kirchendach mit Anasol als Geist
Weiteres illegales Foto der Kirche
Kreuzgang

Blauer Jesus
© Anasol
In der Calle Jaén, der einzigen komplett kolonialen Strasse von La Paz, hat es eine Reihe von kleinen und spottbilligen Museen (Gesamtpreis 4 Bolivianos, 60 Rappen). Hier eine Maske aus dem Museo Costumbrista Juan de Vargas.
Die Tracht der Cholitas ist entstanden, weil die Spanier die traditionelle Kleidung der Bolivianer verboten. Während früher die Kombination aus Hut, Weste und Pollera ziemlich nobel war, tragen heute vor allem die Aymará Frauen, welche auf der Strasse ihre Waren anbieten, das Cholita Kostüm. Es gibt nur wenige, die eine wirklich elegante Version tragen...

Es ist leider ziemlich schwierig, Fotos von den Cholitas an den Märkten zu machen, da sich viele panisch vor der Kamera verstecken. Die Calle Jaén


Die Plaza Murillo. Hier wurde Pedro Domingo Murillo, Autor der ersten Unhabhängigkeitserklärung Boliviens, erhängt. Der Text ist wirklich eindrücklich "...hemos guardado un silencio bastante parecido a la estupidez que se nos atribuye por el inculto español, sufriendo con tranquilidad que el mérito de los americanos haya sido siempre un presagio de humillación y ruina..."
Nachdem es zweimal nicht möglich war, einen Bus Sucre zu nehmen und endlich aus La Paz weg zu kommen (nach einer Woche kann La Paz ganz schön erdrückend wirken), entschieden wir uns, die gefährlichste Strasse der Welt mit dem Mountainbike hinunter zu fahren.

Grund für die Transportprobleme waren Strassenblockaden im Departement Potosí auf dem Weg nach Sucre. Wenn man im Terminal jedoch nach Tickets nach Sucre fragt, sagen alle einfach "no hay", ohne irgendeinen Grund anzugeben. Es ging lange, bis wir herausfanden, "por que no hay".

Hier könnte ein langer Vortrag kommen über Bolivianer und die Servicekultur - die Ambition, eine gute Dienstleistung zu erbringen... oder auch, Bolivianer und die Flexibilität selbst zu denken und nicht an irgendwelchen unlogischen Regeln festzuhalten... oder auch Bolivianer und "der Kunde ist König".

Um es kurz zu machen: Es ist schwieriger in diesem Land zu reisen als in Peru (und noch sehr viel schwieriger als in Kolumbien). Die Kultur des Landes und der Menschen, auch wenn sehr ähnlich wie Peru, ist sehr verschiedenen wie jene, welche wir in Europa, oder auch die Kolumbianer, haben. Dies hat in den letzten zwei Wochen zu ziemlich viel Frustration geführt...

Jedenfalls hatte dies zur Folge, dass wir bei B-Side die "Death Road Delirium Tour" buchten. Mit dem Micro-Bus gings von La Paz hoch nach La Cumbre. Der See sieht zugegebenermassen idyllisch aus, ist in Wahrheit aber ziemlich dreckig. B-Side ist wirklich eine gute Agentur. Die Velos und die Ausrüstung waren jedenfalls Spitze.
Das kann man leider nicht von der B-Side Kamera sagen...
Bei der Tour, die wir buchten, fährt man zuerst einen Teil auf Single-Tracks, bevor es dann weiter zur eigentlichen "Todesstrasse" geht. Für Anasol war das vielleicht ein wenig ein krasser Einstieg in die Welt der Bergvelofahrens... sie lernte aber schnell.

Die anderen Tours fahren diesen Abschnitt auf einer Teerstrasse.


Unser Führer für den ersten Teil des Tages. Den Namen habe ich leider vergessen... weiss aber noch, dass er seinen Namen zu wenig männlich fand und seine zwei Söhne Namen haben, die auf "O" enden.

Nach einem kurzen Abschnitt im Bus kamen wir endlich auf der Todesstrasse an. Dieser Weg wurde durch paraguayische Kriegsgefangene während des brutalen Chacokrieges (1932-1935) gebaut.

Der Name "World's Most Dangerous Road" stammt aus einem Bericht der Inter-American Development Bank, welcher feststellte, dass pro Jahr etwa 26 Autos über die Klippen stürzten. Seit 2007 gibt es eine neue Umfahrung, welche nach Coroico führt... so dass sich nun keine Busse und Lastwagen mehr auf dem drei Meter breiten Weg mit 600 Meter hohen Klippen kreuzen müssen.

Der Weg selber ist technisch nicht sehr anspruchsvoll, trotzdem sind bereits 15 Biker durch Unachtsamkeit in den Tod gestürzt. Ein letztes Foto der B-Side Kamera
Die Strasse führt über 64 Kilometer, 3600 Meter Höhenunterschied, vom Altiplano hinunter in die tropische Yungas-Region.

Unsere Gruppe und das klassische Foto. Nicht erkennbar sind Martin (Schweiz), Nicola (Neuseeland), Anasol und ich...
Kreuze säumen den Weg
Wir übernachteten in Coroico, dem Endpunkt des Downhills. Es war schön, der Kälte von La Paz zu entkommen. Mit dem Mikro ging es dann zurück und, oh Wunder, wir fanden ein Ticket nach Sucre!

Nächstes Foto: Wenn das der Stand der bolivianischen Demokratie ist... Immerhin hat es das Land in seinen 200 Jahren der Unabhängigkeit auf 192 Regierungen gebracht. Mit Evo Morales ist die Situation zwar etwas stabiler geworden (er wurde gerade für eine zweite Amtszeit bestätigt), aber das Land ist ziemlich verteilt zwischen Arm und Reich, und zwischen den Mestizos und der Aymará- und Quechua-sprachigen Bevölkerung. In 2009 sind in Santa Cruz 10 Leute bei Protesten gegen Evo umgekommen.
Die Regeln in der Toilette des Busterminals (übrigens der ehemalige Bahnhof La Paz)... Schön ist auch, dass in vielen Bussen "Prohibido de escupir" (spucken) steht - es wird nämlich sonst im Bus herumgespuckt.
Endlich ging es nun, und das ziemlich reibungslos, mit dem Bus von La Paz zur bolivianischen Hauptstadt Sucre, benannt nach Antonio José de Sucre, Kumpan Simon Bolívars (nachdem Bolivien benannt ist).

In Sucre fanden wir auch noch ein unglaublich schönes Hostel: La Dolce Vita. Gehört einer Schweizerin und ihren französischen Mann/Freund/Partner/Lebensabschnittspartner und hat auf Hostelworld die unglaubliche Wertung von 96 Prozent.

Anasol mit dem verwöhnten Hostelkater
Der lange Arm Uriellas a.k.a. Erika Bertschinger-Eicke...

Und wieder einmal eine "Ciudad Blanca"... auch wenn unter allen weissen Städten Sucre hinter Popayan (Kolumbien) und Arequipa (Peru) nur den dritten Platz holt, so ist sie sicher die schönste Stadt Boliviens. Vor allem weil hier nicht alles verbolivianisiert und verbaut ist - was ja La Paz eigentlich erst spannend macht.

Die Kathedrale
Das Kloster "la Recoleta"
Die Region um Sucre ist berühmt für ihre Webereien. Wir besuchten das "Museo Textil Indigena" und ich hätte nie geglaubt, dass mich das so beeindrucken würde. Leider durfte man keine Fotos machen. Dies ist vom Souvenirstand...
Cholitas am BrunnenDer Zitronengarten des Klosters la Recoleta


Der Chor des Klosters
Ja, das ist ein stolzer Blick! Stolz auf das superschöne neue T-Shirt...
Und nun die Entdeckung des Tages: Pompitas! Ich war absolut begeistert!
Die Dinger waren einfach unglaublich fein. Ich habe sie leider bis jetzt in Bolivien nicht mehr gefunden. Sucre hat sogar seine eigene kleine Version des Eiffelturms... durch den gleichen Erbauer konstruiert. An den Abfallhaufen vorbei kämpften wir uns nach oben.

Und das wärs auch schon... der zweite Teil der Reise folgt im nächsten Eintrag zu Potosí und dem Salar de Uyuni. Dazu auch noch reichlich bolivianische Ereignisse und einen Abstecher in die Silberminen. Es wird spannend werden. Zuerst muss ich aber noch die Fotos bearbeiten. Hasta luego!

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