Montag, 20. September 2010

Kreuze fahren, Berge steigen: Navimag und las Torres del Paine

Dieser Eintrag wird wieder einmal Grenzen verschieben und Rekorde brechen: Von Schifflein fahren an der chilenisch-nordpatagonischen Küste entlang, direkt die südpatagonischen Berge hinauf, zu magischen Momenten an einem der Naturwunder der Welt.

Es gibt vier verschiedene Arten von Auracanía nach Südpatagonien zu kommen:
  • Die erste Möglichkeit wäre mit dem Bus 35 Stunden lang das argentinische Patagonien hinunter zu fahren... da die Reise aber unglaublich lang und die Aussicht eher pampig ist: Keine Option.
  • Zweitens hätte ich mit dem Bus die Carretera Austral durch Chile hinunterfahren können. Dies muss ein unglaubliches Erlebnis sein... leider aber im Winter unpassierbar und darum: Keine Option.
  • Zum dritten hätte ich einfach ein Flugzeug besteigen können. War aber nur eine halbe Option, da ich bis jetzt (fast) ganz Südamerika per Bus und Boot durchquert hatte. Wäre ziemlich feige gewesen.
Darum entschied ich mich für Option Nummer 4:
  • Navimag bietet eine "vier"-tägige Bootsreise (man fährt Samstagabend los und kommt am Montagmorgen an) auf einem Fährschiff durch die chilenischen Fjorde und Kanäle von Puerto Montt nach Puerto Natales an.
Durch einen Tipp, den mir meine südafrikanische Reisekollegin in Chiloë gegebe hatte, ging ich erst am Abend vor der Abfahrt von Puerto Varas nach Puerto Montt, und fragte bei Navimag nach einem Rabatt.

Ich bekam die billigste Kabine für 10% weniger Pesiten... doch der Tipp sollte noch krasser einschlagen: Als wir, nach einem für mich eher stressigen Check-In, die Kabinen bezogen, kriegte ich eine Viererkabine (ich hätte eigentlich in einer 16er Kabine schlafen sollen) für mich alleine, plus eigenes Bad und WC. Es lebe die Nebensaison!
Auf dem Boot waren wir dann auch nur etwa 12 Ausländer... neben einigen Chilenen, die keine andere Transportmöglichkeit haben, als dieses Schiff. In der Nebensaison lohnt es sich also, die billigste Kabine zu mieten, weil man sowieso upgradet wird...

Am Abend des zweiten Tages nimmt man dann traditionellerweise die gefürchtete Passage über das offene Meer in Angriff, um in den Golfo de Penas hinein zu stechen. Zwölf Stunden Achterbahnfeeling schlagen den meisten ziemlich auf den Magen und die meisten füttern die Fische über die Reeling hinunter.

Komischerweise habe ich - ich kotze ja sonst auf ziemlich allem - auf Schiffen eigentlich nie Probleme. Und die Ironie der Geschichte ist, dass das Abendessen an diesem Tag wirklich exzellent war... nur einfach das neben mir vielleicht drei weitere Passagiere das Essen geniessen konnten.

Erstaunlich ist auch, dass sich ein Schiff von diesem Ausmass so extrem hoch und runter bewegen kann.
Lastwagen für Patagonien... auf dieser Passage ist im Unterdeck einer der Lastwagen umgekippt.
Am Morgen des dritten Tages erreicht man Puerto Edén. Das Ende der Welt.
Der Sheriff
Brett (Australien) mit Dorfhund und Hafenkatze
Die Gruppe: Bootsanimator Percy (Chilene mit deutschen Wurzeln und englischem Namen), Joana und Helen (Mutter und Tochter aus Australien), dann Team Brasilien und Team Chile-Neuseeland.
Man muss sich das etwa so vorstellen: Lanzenüfere (TG) verpflanzt an die chilenische Küste (aus Bauern werden Fischer und Lachszüchter), und eine zweitägige Reise von der Zivilisation entfernt.
Unser Schiff, die Puerto Edén
Rambo XXII
Aussicht auf die chilenischen FjordeGummige Pilze
Hier tanzt der Bär
Das Chile ein Land ist, dass lange Zeit abgeschlossen war und in welchem die Kirche bis vor kurzem omnipotent war (das Scheidungsrecht wurde 2004 eingeführt), sieht man an den omnipräsenten Strassenaltären. Die gibt es in anderen südamerikanischen Ländern zwar auch... sind aber meistens in einem desolaten Zustand. Nicht so in Chile!
Seemann und Schiff
Güggel
Unser brasilianisches Pärchen war zwar trinkfest (eine ganze Tasche voller Wein), aber nur bedingt landgängig. Die Holzstege brachten die Brasilianerin an den Rand ihrer Outdoor-Tauglichkeit.
Puerto Edén I und II
Das Dorf wurde übrigens durch die chilenische Luftwaffe als Zwischenstopp für die Wasserflugzeuge gegründet.
Percy mit den Australianern: Brett, Joana, Helen
Der Shuttle
Navimag
Und weiter ging es über die chilenischen Wasserwege. Aus dem Weg Richtung Paso Abísmo (oder so ähnlich)
Regenbogen
Die Landschaft ist unglaublich weit und absolut menschenleer. Ein wirklich unbeschreiblich erhabenes (keine Ahung wieso mir dieses Wort einfällt) Gefühl, auf diesen Kanälen an Schneebergen, Inseln, Nebenkanälen, Dampfschiffenten (brauchen ihre Fügel zum Paddeln), Albatrossen, Wolkennebelsonneregenregenbogen vorbei zu gleiten.
Unsere Brasilianer mit Percy... sie war ja überzeugt, dass ich wie ein Brasilianer aussähe und ich unbedingt ganz lange durch Brasilien reisen solle.

Es passiert nichts und trotzdem kann man stundenlang zuschauen.
Ah ja: Am 18. September feierte Chile ihr Bicentenario: 200 Jahre Unabhängigkeit... am 18. September 1810 formte sich nämlich, unter Eindruck der spanischen Niederlage gegen Napoleon, die Unabhängkeitsbewegung der Criollos gegen die Kolonialmacht.

Und was machten wir? Die meisten lagen an diesem historischen Tag Seekrank irgendwo auf dem Schiff herum, während der Rest des Landes die "Carreta" des Jahrhunderts feierte!
Radar und die Kanäle... auf dem Hinweg rechts rum und zurück die andere Richtung. Sonst gibs einen Zusammenstoss.
Nicht zu vergessen: Wir sind auf dem Meer.

Das chilenisch-neuseeländische Pärchen mit Percy

Der Kabinengang
Und meine Privatsuite
Nach den süssen Seiten der Nebensaison, mussten wir nach Ankunft in Puerto Natales gleich die bitteren Früchte des Phänomens spüren. Es war nämich: "Keine Sau dort!"
Es war nämlich nicht nur Nebensaison, sondern es war auch wegen den Fiestas Patrias einfach alles geschlossen. Mit meinen Schweizer Reisekollegen Michael und Stefanie war ich fast zwei Stunden auf der Suche nach einem Hostel in einer total toten Stadt (wobei fast jedes zweite Haus fast ein Hostel war)...

Nachdem Stefanie und ich die ganze Stadt nach einer valablen Option abgeklappert hatten, öffnete plötzlich das Hostel, vor dem Michael mit unseren Taschen wartete... die ganze Wanderei für nichts. Check-In im Patagonia Adventure.

Doch des Abklapperns nicht genug: Es ging dann nämlich darum, den Trip in den Parque Nacional Torres del Paine zu organisieren.

Traditionellerweise wird der sogenannte W-Trek gemacht. Dieser Trek dauert fünf Tage und man wandert in drei Täler hinein (darum die Form eines W's). Da ich aber alleine war (Stefanie und Michael hatten nur einen Tag zur Verfügung) und die Refugios und Campings alle geschlossen waren (Nebensaison!), entschied ich mich, aus dem W ein I zu machen. Ich mietete also ein Zelt, kaufte Essen (gar nicht so einfach, in einer Geisterstadt) und machte mich am nächsten Tag auf den Weg.
In der Nähe des Eingangs des Nationalparks bei Laguna Amarga
Percy, der Animator, ist ein begeisterter Vogelfan und hielt einen Vortrag über das Geflügel Patagoniens. Leider habe ich meistens keine Ahnung, was für ein Tier ich gerade fotografiere, aber es gibt in diesem (und im nächsten) Eintrag ziemlich viele unklassifizierte Vögel zu sehen.
Zickzack
Die Auswirkungen der ersten Globalisierungswelle
Schon vom Eingang des Nationalparks (und auch schon vorher) sieht man die berühmten Torres del Paine (2800m)
Dies ist schon einiges später
Das Tal des Rio Ascencio. Die Türme wären links.
Der Wald, falls vorhanden, hat eine ziemliche Ähnlichkeit mit den Wäldern im Tessin, falls er denn ähnlich ist. Die Bäume stehen unglaublich dicht beieinander und das trockene Laub des letzten Herbstes (hier ist ja Frühling) liegt auf dem Weg.
Vom Seemann zum Wanderer
Zu dieser Jahreszeit ist der Wald nicht gerade farbig. Ausser diese Parasiten/Epiphyten/oder Wasauchimmer, die einen grellen Kontrast setzen.
Wiedermol es Vögeli wo singt

Nach einigen Stunden gemütlichem Wandern kam ich am Campamento Torres an. Es hatte mittlerweile zu schneien begonnen und ich entschied, erst am nächsten Morgen früh zu den Türmen des Schmerzes hochzulaufen.
Lonely Camper. Es gab zwar noch ein französisches Pärchen irgendwo auf dem Platz... aber die habe ich nur vom Zelt aus gehört und nicht gesehen. Das Zelt, das ich bei Patagonia Adventure gemietet hatte, war super... und der Schlafsack muss wohl Guiness Weltrekordhalter in der Kathegorie "Wärme" sein. Trotz Schnee und Minustemperaturen hatte ich zu heiss.
Als ich am nächsten Morgen um sechs Uhr früh mein Köpflein zum Zelt hinaus streckte, sah ich, dass es aufgetan hatte und die Türme grellrot im Morgenlicht leuchteten. Nach einem Hochgeschwindigkeitsfrühstück machte ich mich also auf den Weg und sollte oben einen Moment erleben, der definitiv zu den Höhepunkten meiner Reise zählt.
Nach einem ziemlich anstrengenden Weg hinauf (die 45 Minuten die unten angegeben werden, sind für den durchschnittlichen chilenischen Wanderer sehr optimistisch), sieht man plötzlich die Torres vor sich.
Es war ein unglaublicher Moment, die Türme plötzlich vor sich zu sehen, davor noch die gefrorene Lagune, die Granitmoräne, die Steinschulter mit dem überhängenden Gletscher... naja, und Manuel Herrmann aus Frauenfeld... sonst niemand."Solitude is a faithful friend." Wer hätte gedacht, dass ich einmal die toten Hosen (oder argentinisch: Toten Chosen) zitieren würde. Aber ich fand das Lied (Pushed Again) schon immer irgendwie gut und das Video sowieso auch.

Gibt noch tausende Fotos mehr...
... und zum Schluss kam auch noch die Sonne wieder hervor.
Nach vielen unvergesslichen Minuten bei den Torres musste ich mich wieder auf den Weg machen, um nicht den Bus beim Parkeingang zu verpassen.
Ice Ice Baby
Auf dem Rückweg flogen Kondore unglaublich tief über mir am Hang vorbei.Diese Vögel sind wirklich riesig
Im Sommer ist dieser Nationalpark anscheinend völlig überfüllt und es soll Leute geben, die mit ihren Rollkoffern wandern gehen. Man kann alle paar Kilometer in einem Refugio übernachten... aber man sollte sich nicht eine rustikale SAC-Hütte vorstellen. Die Dinger hier sind ziemlich luxuriös und völlig überteuert (50 Franken für ein Dormitorium). Zwischen Zelten und Refugio gibts aber leider keine Option.
Einer der grössten Erfolge des Nationalparks ist die Wiederansiedlung der Guanacos.
Die gleiche Familie wie Alpaka oder Lama, aber ungleich intelligenter und schöner.
Der Weg zurück.
Nach einer vorerst letzten Nacht in Chile nahm ich am nächsten Tag den Bus nach el Calafate in Argentinien. Der Grenzübergang Chile nach Argentinien war super simpel...
Die Argentinier sind definitv noch nicht über die Niederlage gegen Frau Thatcher hinweg gekommen...
Auf dem Weg nach El Calafate
Auch die Gänse spüren den Frühling... überall laufen verliebte Pärchen umher. Wie romantisch!
Tankstelle im Niemandsland...
Mehr zu El Calafate und Argentinien im nächsten Eintrag! Tschäse!

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