Samstag, 11. September 2010

Heaven and Hell in Chiloé und Puerto Varas - Teil I

Man stelle sich vor, man hat gerade mit der Fähre die Insel Chiloé erreicht.

Man sitzt gemütlich im Sitz seines chilenischen Busses und hat noch die frische Meeresluft in den Haaren. Man hat auf der Fähre einen erstaunlich guten Kaffee getrunken, hat einen Koffeinflash und hört die Musik seiner Jugend (in meinem Fall "Time to move" von H Blockx) und versteht dabei plötzlich all die Teenies, die in Südamerika mit Tokio Hotel-Shirts rumlaufen.

Während der Bus über die nass glänzenden Strassen fährt, bleiben die goldenen Sonnenstrahlen in den Nebelschwaden hängen. Man fährt an grünen Hügeln vorbei, mit grasenden Schafen und Kühen. Es hat dampfende Wälder und von Zeit zu Zeit sieht man auf der rechten oder linken Seite des Busses das Meer aufblitzen, von der tief stehenden Sonne in einen glänzenden Spiegel verwandelt.

Dann könnte man sich wirklich vorstellen, in ein paar Jahren an diesen Ort zu ziehen und seine Kinder in dem grossen Garten vor dem farbigen Holzschindelhaus grosszuziehen, wobei aus dem Kamin der Rauch des Cheminées hochsteigt, welches die gemütliche Küche wärmt. Die Hunde liegen auf dem Rasen und versuchen die letzten Sonnenstrahlen zu erwischen. Vielleicht hat man auch ein einige Schafe und sogar ein paar Hühner, die grossväterliche Familientradition fortsetzend.

Nur zwei Tage später läuft man jedoch durch eine Geisterstadt... kein Mensch auf der Strasse und man sehnt sich ein wenig nach der Ordentlichkeit des chilenischen Festlandes. Es bläst ein kalter Wind, und Regenschauer, Nieselregen und ganz selten ein paar Sonnenstrahlen wechseln sich ab.

Alle Sehenswürdigkeiten, die man sich ansehen wollte, sind geschlossen, und die Dörfer sind auch nicht so pittoresk, wie man es sich versprochen hatte... hier werde ich jedenfalls nie hinziehen!

Hier die Fähre und der Sonnenschein, mit dem alles so schön begann
Chiloé ist eine Insel nördlich von Puerto Montt und war lange das, was es auch wirklich ist: Eine Insel.

Kulturell ist Chiloé sehr unterschiedlich als das nahe Festland. Dies zeichnet sich nicht nur durch die Häuser aus, die an ihrer Meerseite auf Pfählen stehen. Hier die Palafitos in der Stadt Castro, welche in der Mitte auf der Insel liegt.
Bei Flut stehen diese Pfähle unter Wasser.
Meine Bleibe, das Hostal Palafito, war eines der schönsten Hostels meiner Reise... Leider war es auch das teuerste bis jetzt, aber ich feierte ja dort immerhin mein einjähriges Reisejubiläum.
Die Insel Chiloé ist ausserdem bekannt für ihre Holzkirchen, von welchen 16 UNESCO Weltkulturerbe sind.
Die Iglesia San Francisco de Castro ist vielleicht eine der schönsten Kirchen die ich kenne
Einfach super - Holz
Eine ganz spezielle Atmosphäre
Zum Glück ist das Baby gut eingepackt... war nämlich ziemlich kalt
Erzengel Gabriel und ein Fabelwesen mit Schnauz Die franziskanische Version von "I want you"
Hier die Iglesia San Francisco von der Seite... war schon einiges regnerischer als wann ich ankam.
Möwe
Im Museo Regional gibt es nicht viel zu sehen... ausser von der chilenischen Regierung gesponserte Modelle zur Geschichte der Insel.
Irgend eine Schlacht, welche die Spanier zusammen mit den Chiloten gegen die chilenischen Truppen in einem Sumpf auf der Insel gewannen.
Endlich kam auch die Sonne raus!
Und hier die Palafitos bei Ebbe
Am Tag darauf sollte sich mir das zweite Gesicht des Archipels offenbaren. Der Plan war, nach Dalcahue zu fahren und von dort die Fähre auf die Isla Quinchao zu nehmen.

Hier die UNESCO-Kirche von Dalcahue: Nuestra Señora de los Dolores Die Kinder bereiteten sich für die erste Kommunion vor... exzellent war aber vor allem die Lehrerin, welche voller Inbrunst und immer mindestens eine Viertelnote daneben das Kommunionslied ins Mikrofon "sang". Nach zwei Minuten musste ich die Kirche verlassen.
Jesus umringt von mythologischen Kreaturen, um die Ureinwohner der Insel zu bekehren. Da Chiloé für Jahrhunderte kulturell vom Festland nahezu abgeschlossen war, hat sich hier eine ziemlich interessante und spezielle Mythologie entwickelt, welche noch heute sehr präsent ist.
Technisch gesehen hat der Ausflug ja eigentlich (fast) perfekt geklappt. Mit der Fähre gings weiter auf die Insel. Es war mir leider aber nicht klar, dass das nächste Dorf, Curaco de Vélez, so weit von der Anlegestelle weg ist... Ich bin einige Zeit gelaufen, bis endlich ein Bus vorbei kam.

Dafür bin ich um eine Erfahrung reicher: "Bellende Hunde beissen nicht." Darum weiss ich nun: Dieser Hund wollte mich ziemlich sicher beissen. Zum Glück hatte ich schnell genug einen Stein in der Hand - den ich aber nicht geworfen habe, liebe Tierschützer.

Das desolate Wetter hat auch irgendwie einen Reiz Kleines Appartement, dafür mit Meersicht.
Die Kirche von Curaco
Der "Lonely Planet"-Autor überschlägt sich fast vor Euphorie für dieses Dorf. "Superbly tranquil", "fascinating houses", "interesting church" (wobei selbst der Pastor sagte, dass da nichts zu sehen sei), "unexpected treasure"... "lovely Curaco de Vélez".

Ich würde mal einschätzen, dass der Herr Lonely Planet an einem schönen Sommertag in diesem Dorf war. Die Leute schlenderten durch die Gasse, Herr García hat seine Frau im Arm, die Kinder rennen auf dem Strand, Herr Lonely Planet hat gerade Austern mit Zitronen gegessen und dabei ein kühles Bier getrunken, und er ging an den schönen Häusern vorbei zu den acht Mühlen ausserhalb des Stadtzentrums.

Als ich in Curaco de Vélez war, war kein Mensch auf der Strasse, es war kalt, windig und regnerisch, die Restaurants waren mit Brettern verbarrikadiert und die Mühlen waren geschlossen. Wenigstens waren aber die Menschen unglaublich freundlich... jedenfalls die zwei die ich getroffen habe. Ghost Town.

Schwäne sind anscheinend ein Wahrzeichen des Dorfes... jedenfalls haben sie einen riesigen Metallschwan beim Dorfeingang hingestellt.

Der "urban myth" zu diesem Schwänen besagt, dass sie immer zu zweit unterwegs seien, und wenn einer stirbt, bringt der andere sich um.Die Holzschindelhäuser von Curaco de Vélez
Mit dem Bus ging es dann weiter nach Ancud... Schlussfolgerung: Noch kälter, noch windiger, grösser, aber noch weniger Leute... und die Kirche, auch UNESCO Weltkulturerbe, ebenfalls geschlossen.
Freunde fürs Leben in Castro - wieder zurück
Am nächsten Tag beschloss ich, in den südlichen Teil des Parque Nacional Chiloé zu gehen. Doch auch dort sollte die Nebensaison gnadenlos zuschlagen... viel Abfall, wenig Information, abrupt endende Pfade gemischt mit wenigen Wegweisern, und zu guter Letzt auch noch abzockende Busfirmen.

Hier die Kirche von Chonchi, ebenfalls UNESCO, ebenfalls geschlossen, ebenfalls schön.
Hier stiegen wir aus. Die freundliche Kontrolleurin sagte uns noch: Dort hinten geht es zum Lago Huelda... nach 5 Minuten laufen war man auch schon in einer Sackgasse.
Der Lago war dann auch nichts spezielles... schön war da vor allem das Öl, das schön glitzernd auf der Wasserfläche trieb. Nationalpark?
Nach ein paar Minuten Autobahnwanderweg wandern (man wäre auch mit einem tiefergelegten Smart dorthin gekommen), sah ich wenigstens einen Vogel.
Auf dem Rückweg zum Eingang kam ich an einem ziemlich schönen Sumpf vorbei.
Es stellte sich heraus, dass das schönste an dieser Region, zu dieser Jahreszeit, die idyllisch gelegenen Häuser sind. Der Pfad, der über den Sumpf zum Haus hinten führt ist jedenfalls ziemlich cool.
Haus am See - wie im Lied denkt man wieder ans Zügeln... Eine Insel mit zwei Bergen - die Liedzitate hören einfach nicht auf in diesem Eintrag
Und da ganz am Schluss: Ich entdeckte einen schönen Pfad durch die Dünen, der es fast noch wert gewesen wäre, ein wenig länger zu bleiben. Da ich aber die Qual der Wahl hatte, entweder um 13 oder um 17 Uhr den Bus zu nehmen, und da ich von lärmenden Vögeln verfolgt wurde, welche mich vorher schon attackiert hatten, blieb es bei einem kurzen Abstecher.
Im Bus zurück
Hier geht's weiter zu Teil II.

4 Kommentare:

  1. Hi Manuel,
    que pasa? Ich kenne dich gar nicht (und vice versa), bin aber vor einigen Tagen zufällig über deinen Blog gestolpert, als ich mal probiert habe, meinen zu googlen. Ich komme ursprünglich aus Bonn in Deutschland, lebe aber seit 5 Wochen in La Serena, wo ich meinen Zivildienst(-ersatz) ableiste. Ich führe für das Jahr einen Fotoblog, du scheinst ja auch Spaß an der Fotografie zu haben. Ist wirklich interessant, was du schreibst, vor allem deine Berichte über deine Reise durch Chile finde ich klasse - auch wenn ich La Serena im Gegensatz zu dir recht schön finde ;). Hilft mir viel, meinen Urlaub zu planen, werde nächsten Winter (Somme in Europa) in den Norden reisen, Anfang nächsten Jahres in den Süden.
    Du scheinst ja schon seit einem Jahr in Südamerika unterwegs zu sein, wie lange wirst du bleiben? Und wie kommst du dazu?
    Mit besten Grüßen, schreib weiter so viel!!!
    Lukas

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  2. Hey Lukas... Ich habe mir deinen Fotoblog mal angeschaut. Wirklich Klasse... muss vielleicht trotzdem nochmals nach La Serena zurückkehren.
    Falls du etwas spezifischere Fragen hast, kannst du dich immer bei mir melden. Danke für deinen netten Kommentar und geniess Chile!
    Ich ging (nach meinem Zivildienst) nach Medellin, um Spanisch zu lernen, sieben Monate später war ich plötzlich schon sieben Monate in Kolumbien. Von da aus gings dann immer weiter runter. Wie lange noch, weiss ich nicht. Wahrscheinlich über Argentinien und Brasilien wieder hoch nach Kolumbien. Mal schauen.
    Gruss, Manuel

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  3. Ist wirklich toll, was du schreibst, vor allem deine Berichte über deine Reise durch Chile finde ich klasse - auch wenn ich La Serena im Gegensatz zu dir recht schön finde ;). Hilft mir viel, meinen Urlaub zu planen, da es Chile mal von einer anderen Seite zeigt.

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  4. Vielen Dank für das Lob, Marion. Chile hat mir wirklich gefallen. Vor allem auch Chiloe war (je nach Wetter) super. Gruss, Manuel

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