Donnerstag, 26. August 2010

City hopping: La Serena, Valpo und Viña

Von der Wüste Atacamas ging es in einer 16-stündigen Busreise (neuer persönlicher Rekord!) über Antofagasta nach La Serena.

Über diese Stadt gibt es eigentlich nicht viel zu berichten, auch wenn die Beschreibung im Lonely Planet durchaus reizvoll klingt. Stichworte: "Golden shoreline, beautiful architecture, treeshaded avenues, pretty plazas, thinking man's beach resort..."

Die Architektur der Stadt ist vor allem neokolonial. Dies hat damit zu tun, dass Präsident Gabriel González Videla, der "Dr. Jekyll/Mr. Hyde" der chilenischen Politik, seine Heimatstadt in den späten 40er Jahren verschönern wollte und lauter neue Gebäude hinstellte.

La Serena macht darum einen etwas künstlichen Eindruck und hat etwa den Charme einer deutschen Nachkriegsstadt... also so ungefähr gar keinen.

Dr. Jekyll/Mr. Hide darum, weil González Videla mit Unterstützung der kommunistischen Partei in 1946 zum Präsidenten gewählt wurde und dann diese Partei prompt als illegal erklärte. Literaturnobelpreisträger Pablo Neruda, der für die Kommunisten im Parlament sass, musste darauf per Pferd und zu Fuss über die südlichen Anden nach Argentinien flüchten.

Aus Mangel an Fotos von La Serena (gibt noch ein weiteres am Ende des letzten Eintrags... ebenso nichtssagend), hier ein Bild von mir in meinem Hotelzimmer. Das Hostal war übrigens ein voller Erfolg: Casa Maria.

Das einzig Negative war, dass ich meine Kleider nicht waschen durfte.
In La Serena hätte es die Möglichkeit gegeben, eine Tour oder einen Abstecher ins Valle de Elqui zu machen, um die Piscoproduktion anzuschauen, oder auch ins Reserva Nacional Pingüino de Humboldt zu gehen.

Aber da ich mich in Peru schon einmal eines schönen Morgens mit Pisco besaufen durfte, und es ironischerweise am fast gleichen Ort gleich auch noch Pinguine hatte (dazu kommt auch noch, dass das Reserva Pingüino hier keinen allzu guten Ruf betreffend Umweltschutz hat), entschied ich mich, nichts zu machen... was ja manchmal auch nicht schlecht ist.

So ging es nach einigen fotolosen Tagen weiter nach Viña del Mar. In San Pedro de Atacama hatte ich Charlotte und Roberto kennengelernt, welche mich zu sich nach Hause nach einluden.

Am Samstagnachmittag gab es gleich einen "Asado" mitten in den schönen chilenischen Natur... Naja... jedenfalls fahren am Samstag die Leute mit geschätzten 10 Kilo Fleisch pro Kopf (dafür wird an Salaten, Brot, usw. gespart... eine Beilage gibt es jedoch zu Genüge: Bier) in den Parque Botanico, parkieren ihr Auto an der hässlichsten Stelle des Parks neben der Autobahn, lassen den Motor laufen und hören in voller Lautstärke eine schreckliche "New Rave/Hiphop/Techno"-Mischung... was hier völlig eingeschlagen hat.

Dies hier wäre meine Gruppe, rechts daneben das Soundsystem... Alejandro, Alejandro!
Nach zwei Tagen Parties und Auskatern, ging es nach Valparaíso.

Diese strategisch wichtigen Stellen sind bei Strassenhunden hier sehr beliebt... und der Hund ist deutlich erfolgreich mit seiner Strategie.
Irgendjemand hat mir hier gesagt, Valparaíso sei nichts Spezielles. Nur so eine Art dreckiges Lissabon... und irgendwie hatte diese Person damit nicht unrecht. Aber es ist vor allem diese dreckige Seite, welche diese Stadt so speziell macht.

Valparaíso ist eine Hafenstadt und war bis zur Eröffnung des Panamakanals in 1914 einer der wichtigsten Häfen der Pazifikküste. Neben dem Seemannschaos (man denke an Bars und Bordelle) ist aber auch die Geographie der Stadt unglaublich unübersichtlich. Angeblich hat es 42 Hügel, welche mit Häusern, kurvigen Gassen und Treppen vollgebaut sind.

Die Stadt muss sich jedenfalls vor Mykonos, oder dem Irrgarten in "the Shining", nicht verstecken. Dies kreiert viele versteckte Ecken, welche mit Grafitis vollgesprayt sind. Und dass die Stadt links ist, zeigen die Bilder von Salvador Allende an den Mauern
Ausserdem sind die Wellblechwände der Häuser selbst schon genug farbig
Es ist eine Stadt, wo man einfach herumwandern und verlieren kann. Es hat sowieso keinen Sinn, auf eine Karte zu schauen, verirren tut man sich sowieso.
Wenigstens hat man mit dem Meer einen guten Orientierungspunkt: Geht es runter, gehts normalerweise Richtung Küste... falls es natürlich keine Sackgasse ist. Und plötzlich ist man im Garten der Familie Müller/Keller/Schmid
Schönheit und Verfall sind nie weit voneinander entfernt. Unten am Hafen: Das würde ich mal als missglückte Modernisierung bezeichnen.
Die chilenischen Strassenhunde sind wirklich unglaublich.

Weil sie unter weniger Misshandlungen leiden, als ihre südamerikanischen Gegenstücke, sind sie erstens viel dicker und zweitens unglaublich zutraulich. Wenn man vom Ausgang nach Hause läuft, folgt einem meistens ein Rudel Strassenhunde - als seist du ihr Herrchen und gingst mit ihnen spazieren.

Ausserdem können sie an den ungemütlichsten und chaotischsten Stellen liegen und so tun, als sei dies das bequemste Bett der Welt.Valparaíso hat eine Reihe von uralten Liften, welche von "El Plan" auf die 42 Hügel hoch führen. Hier der Ascensor Artillería.
Blick auf Valparaíso und den Hafen von Cerro Artillería aus.

Am Tag darauf gab es einen Ausflug ins Haus von Pablo Neruda in Isla Negra.
Pablo Neruda wird, unter anderem von Gabriel García Márquez, als einer der einflussreichsten Dichter des 20. Jahrhunderts bezeichnet. In der Populärkultur ist er vor allem wegen dem Film "Il Postino" bekannt, welcher auf einem seiner Gedichte basiert.

Ich stelle vor: Meine neue Brille, hinten Nerudas Haus. Neruda war ein Lebemann: Trotz Mitgliedschaft bei der kommunistischen Partei (Widerspruch Nummer eins) hatte er mehrere Häuser, welche vollgestopft waren mit geschmackvollem Ramsch (Widerspruch Nummer zwei).
Das Haus ist gebaut wie ein Schiff. Neruda liebte das Meer und die Schifffahrt... er mochte es jedoch nicht, selbst auf einem Schiff zu sein, und baute darum seine Schiffe auf dem Land.
Das Museum und das Haus waren wirklich sehr interessant.

Hier seine Flaschensammlung.
Chile ist zum Teil wirklich ein wenig schweizerisch: Dieses Schild würde jedenfalls in einem kolumbianischen/peruanischen/bolivianischen Bus völlig deplatziert wirken... auch wenn man manchmal wünschte, es sei dort.
Wieder zurück in Valparaiso: Herr Diktator Pinochet zügelte das Parlament von Santiago nach Valparaiso an die Stelle eines seiner Jugendhäuser. Ich würde mal sagen: Typisch grössenwahnsinnig diktatorische Architektur. Musste direkt an Mussolinis Schreibmaschine in Rom denken.
Valparaíso verfügt über die ältesten Omnibusse der Welt, welche noch in Betrieb sind. Es ist wirklich unglaublich, wie viele Häuser in dieser Stadt auf kleinstem Raum zusammengezwängt sind.
Wellblech und hinten der Hafen

Kreativität und Verfall gehen hier Hand in Hand
Das Erbeben in Chile vor einigen Monaten ist immer noch sichtbar. Dieses Thema wurde nun jedoch durch die Tragödie in einer Mine im Norden abgelöst. Wirklich beeindruckend, wie dies die News hier dominiert und den ohnehin nicht allzu schwachen Patriotismus der Chilenen hervorbringt. Ganz nebenbei ist die Tragödie wirklich krass und lässt mich an "Huis Clos" und Sartre denken: "L'enfer c'est les autres". Vier Monate in einem Raum mit 33 Leuten...

Ein weiteres Schild Marke Chile/Schweiz... Ausserdem war das Haus mit Stacheldraht umgeben. Wohl ein Sicherheits- und Ruhefanatiker.
Und hier meine Gastgeber: Charlotte (Frankreich), fleissig am Solitaire spielen, und Roberto (Ecuador), fleissig seine Präsentation am vorbereiten...
Von Viña gibt es leider nicht viele Fotos. Ist ein wenig das Miami Beach von Chile... ausser dass das Meer wegen der Humboldtströmung unter 10 Grad warm ist.
Viña... und im Hintergrund Valparaíso
Das einzig wirklich interessante in Viña ist die Anordnung der Balkone, damit ein möglichst grosser Anteil der Bewohner eine möglichst gute Meersicht hat. Ich habe eine sehr interessante Klassifizierung der verschiedenen geometrischen Lösungen entwickelt... die leider aber so unglaublich interessant ist, dass ich sie hier nicht erwähnen kann.
Ah ja: "The Inception" ist übrigens schlecht und unlogisch.

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